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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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weil sie aus Quadern von dreifacher Stärke bestand. Usir wollte antworten, doch da traf ihn ein Stein an der Schläfe. Alles wurde schwarz vor seinen Augen. Er fühlte, wie er stürzte und hart auf den glühend heißen Boden schlug. Er verspürte keinen Schmerz, nur eine seltsame Betäubung. Irgendjemand stützte ihn und rief seinen Namen. Er öffnete mühsam die Lider. Durch das Blut, das ihm über die Augen floss, sah er einen undeutlichen Schatten. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder: Der Schatten wurde zu einem Gesicht. Er sah den hohen Bogen der Wangenknochen, die staubverkrusteten Lippen, die Augen, die grün und wild funkelten.
    Â»Isa …«, stöhnte er.
    Â»Ich glaube, wir sind verloren«, sagte sie.
    Er hörte ihre Worte ganz deutlich; sie klangen nicht furchtsam, sondern ruhig und fast heiter. Der Tod war den Amazonen vertraut.
    Â»Nein«, flüsterte er, »noch nicht …«
    In der Tiefe seines Bewusstseins bahnte sich verschwommen, aber bedeutungsvoll eine Erinnerung ihren Weg. Was war es nur? Es musste ihm um jeden Preis wieder einfallen. Was war es denn nur gewesen …
    Er packte Isas harte, warme Hände. Er hielt sie fest in den seinen und spürte, wie sich ihre Kraft auf ihn übertrug. Schlagartig entsann er sich. »Der unterirdische Gang! Das schwarze Boot!«
    Â»Was für ein Boot?« Zenas heisere, doch energische Stimme drang an sein Ohr.
    Jetzt erinnerte sich auch Isa. Aufgeregt wandte sie sich an ihre Mutter. »Ja, richtig! In einem der Gewölbe liegt ein Boot an der Mole, das für die Schifffahrt im Dunkeln geeignet ist …«
    Torr wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Das unterirdische Meer hat sicherlich irgendwo einen Ausgang. Atlar musste gewusst haben, wo …!«
    Zena biss sich so stark auf die Lippe, dass der Abdruck ihrer Zähne auf ihr sichtbar wurde. »Wir müssen dahin zurückkehren! Es ist unsere einzige Hoffnung!«
    Es schien Wahnsinn zu sein, und dennoch … Aber wenn der Palast zusammenstürzte - würde das Gewölbe dem Druck standhalten? Sollte es ihr Schicksal sein, zu sterben, welche Bedeutung hatte dann schon das Wie? Jede Gelegenheit, die sich ihnen bot, zu entkommen, mussten sie wahrnehmen!
    So suchten sie sich wieder den Weg, den sie gekommen waren. Haku stützte Ato, der sich nur mit größter Mühe vorwärts schleppte. Von Brechreiz und Hustenanfällen geschüttelt stiegen sie über den Schutt. Die Finsternis war vom roten Glühen der Brände erfüllt. Die Erde hörte nicht auf zu beben. Spalten klafften, wurden immer breiter, immer tiefer, zogen Menschen, Pferde und Gespanne in den Abgrund. Bäume wurden hochgeschleudert, drehten sich und fielen, mit dem Wurzelwerk nach oben, wieder zurück. Dort, wo noch kurz zuvor die metallenen Statuen gestanden hatten, gähnte ein riesiges Loch, aus dem ein Gestank von Schwefel und Moder drang. Die marmornen Sockel waren in die Tiefe gesunken. Nur einige Häupter der Standbilder ragten noch wie gespenstische Auswüchse aus dem Boden heraus.
    Die Palasttreppe war nur noch ein Trümmerhaufen. Die Fliehenden reichten sich die Hände, zogen sich von einem Block auf den anderen hinauf. Mit Funken vermischte Asche wirbelte umher. Hochgetürmte Wolkenmassen bedeckten den Himmel. Im Westen, wo der Vulkan Teje seine glühende, rauchende Lava ausspie, war ein riesiges, purpurnes Aufflackern sichtbar.
    Umgestürzte Säulen versperrten den Durchgang. Mauerblöcke, die aus dem Gewölbe gebrochen waren, hingen bedrohlich über ihnen. Hier und da leuchteten eingedrückte Silbertore durch die Trümmer. Hinter zerbrochenen Bögen züngelten Flammen, das Holz der Deckenbalken verzehrend. Immer neue Nahrung bot sich ihnen: Sie verschlangen die kostbar geschnitzten Möbel, zerfraßen die Teppiche, sprangen über Traghimmel und Vorhänge, die sich in Fetzen, von schwarzem und gelbem Rauch umgeben, auflösten. Das helle, heiße Prasseln des Feuers erfüllte die Luft. Der ganze Ostflügel war zusammengestürzt. Doch dann entdeckten die Fliehenden eine Stelle, wo es nicht brannte. Über herabgestürzte Dachbalken und zerschmetterte Säulen erreichten sie das Lagunenbecken, wo dampfender Schlamm brodelte und zischte. Das ins offene Meer hinausgesogene Wasser war noch nicht zurückgekehrt. Das Gleichgewicht, das das flüssige Element beherrschte, war

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