Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
Mit genau gezieltem Schwung durchbohrte die Klinge den rechten hornhautbedeckten Wulst am flachen Kopf des Ungeheuers. Es wurde zurückgeschleudert. Das zahnlose Maul öffnete sich und ließ eine klebrige, rosarote Zunge sehen. Aus der durchstochenen Augenhaut strömte Blut. Heftige Zuckungen erschütterten den widerlichen Leib.
    Mit einem Mal erschlafften die Ringe: Das Untier glitt tiefer ins Wasser hinab und verschwand dann ganz. Nur eine lange, rötliche Spur blieb an der Oberfläche zurück.
    Tula wurde ins Boot gezogen. Triefend vor Nässe, mit klappernden Zähnen brachte sie nur mühsam über die Lippen: »Das Wasser ist kalt wie der Tod …«
    Keiner vermochte zu sagen, wie lange sie über den Kratersee fuhren, vorbei an urzeitlichem Felsgestein, das die Feuchtigkeit im Laufe der Zeit fast spiegelglatt geschliffen hatte. Das leiseste Wort, das geringste Geräusch hallte wie ein fernes Echo von dem hohen Gewölbe zurück, das sich in schwarzer Finsternis verlor. Usir bemerkte als Erster einen dunkleren Fleck an der Felswand. Zunächst hielt er ihn für einen Schatten. Dann aber zeigte es sich beim Näherkommen, dass er eine Spalte war, die breit genug schien, dass das Boot hindurchfahren konnte. Die Hoffnung, einen Ausgang zu finden, ließ ihre Herzen schneller schlagen.
    Torr betrachtete die Magnetnadel, die stetig die Richtung nach Osten anzeigte. »Vorwärts!«, sagte er.
    Er befahl die Segel wieder zu setzen. Mit vorsichtigen Ruderschlägen bewegte sich das Boot auf die Öffnung zu und konnte sie unbeschadet passieren. Eine schmale, endlos erscheinende Felsschlucht tat sich auf, in der das Wasser sich staute. Grünlich schillernde Tropfsteingebilde hingen von der Decke herab. Plötzlich fuhr ein Windstoß in die Segel. Das Gewebe spannte sich mit dumpfem Knall. Torr und Usir tauschten einen zufriedenen Blick.
    Â»Wir scheinen uns auf dem richtigen Weg zu befinden!«, sagte der Admiral.
    Das Boot fuhr immer schneller. Das Wasser plätscherte, sprudelte. Zum ersten Mal sahen sie wieder Moos an den Wänden. Algen und Muschelsplitter füllten die Steinlöcher. Herber, salziger Wind peitschte die Segel. Endlos langsam verging die Zeit. Die Ruderer, zu Tode erschöpft, konnten kaum noch gegen das Schaukeln der Wellen ankommen. Sie lösten einander ab, um einen Wechsel von Arbeit und Ruhe herzustellen. Während die einen ruderten, versanken die anderen in einen unruhigen Schlaf, der von seltsamen Albträumen erfüllt war. Zwischendurch tranken sie einige Schlucke Süßwasser und aßen einen Brei, den sie aus Wasser und im Mörser zerkleinerten Getreidekörnern anrührten.
    Atos Wunde verheilte langsam. Er sprach wenig, Usir achtete sein Schweigen, aber es fiel ihm schwer, seine Augen von ihm abzuwenden. Zutiefst saß der Kummer in seinem Herzen. In nasser Kleidung, starr vor Kälte, die Handflächen geschwollen und mit Blasen bedeckt, begann Usir sich zu fragen, ob diese Irrfahrt überhaupt einen Sinn hätte. Das Gefühl des Begrabenseins tief unter der Erdoberfläche nahm ihm fast jeglichen Mut. Er kam sich wie gefangen vor in einer dunklen, versteinerten Welt, die ihm langsam alle Lebenskräfte verzehrte. Selbst wenn sie je wieder an die Erdoberfläche gelangten - was würden sie dort vorfinden? Verwüstung und Tod - sonst nichts! Kämpften sie hier, um dafür zu überleben?
    In solchen Augenblicken tiefster Niedergeschlagenheit blickte er zu Isa, die sich verbissen über ihr Ruder beugte. Für dieses Mädchen gab es nichts als eiserne Disziplin. War sie müde, ließ sie sich nichts davon anmerken. Sie beklagte sich nicht über Hunger, nicht über Kälte oder Ungewissheit. Diese Selbstverständlichkeit, den Geschehnissen zu trotzen, war zweifellos die vererbte Charaktereigenschaft von Generationen, aber auch ihr Stolz, der niemandem etwas schuldig bleiben wollte.
    Nach unbestimmbarer Zeit - es mochten vielleicht zwei Tage oder auch mehr vergangen sein - schien der Wind auf einmal wärmer, die Luft stickig zu werden. Es roch auch wieder nach Schwefel und Asche. Der von den Wellen zernagte Fels leuchtete auf einmal rot wie ein Jaspis. Schon glaubten sie, wieder das Getöse von einstürzenden Mauern und fernes Donnergrollen zu vernehmen. Angstvoll lauschten sie. Waren das Anzeichen, dass sie sich der Erdoberfläche näherten, oder kam das Dröhnen aus der Tiefe

Weitere Kostenlose Bücher