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Zwei Toechter und drei Hunde

Zwei Toechter und drei Hunde

Titel: Zwei Toechter und drei Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G Bentz
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Weltreise machen, erster Klasse auf einem ganz großen Schiff und hast immer noch so viel übrig, daß du dich’s ganze Leben nimmer schinden brauchst.« Da hat sie mich angeschaut wie ‘n ertrunkener Hering und hat gesagt: >I trau mi net, Rosl, i trau mi einfach net!< — >Wieso?< hab’ ich gefragt >Hast Angst, daß du ertrinkst?« — >Na, ich trau mi net!« Weiter kam nix ‘raus. Und dann hat sie mir von ihrer Jugend erzählt. >Weißt, Rosl< hat s’ gesagt, >wir waren arm, ganz arm, mein Vater war Sargschreiner. Wir hatten das kleine Haus, das, wer jetzt die Molkerei drinnen ist. Ein ganz ein kloans Häuserl. Und wie’s so bei die armen Leut ist, je weniger Geld, desto mehr Kinder. Ewig hatten wir keinen Platz net, und so schliefen wir Kinder dann in die Särg’. Der Rest vom Haus war Werkstatt und Ziegenstall, wo wir auch die Hühner hatten. Die Mutter wollte auch noch Gänse und Truthähne dazunehmen, wenn’s uns mal besser gehen sollte. Aber besser ging’s halt nie. Darüber ist die Mutter dann gestorben. Ja — die Särg’! Dir graut’s, Rosl, sag nix, ich merk’s dir an, und ich kann dir’s nit verdenken, aber uns — uns hat’s nix ausg’macht. Wir wußten ja, daß sie genauso wichtig und unentbehrlich sind wie die Betten. Ja, selbst der, wo kein Bett hat, braucht einen Sarg — gottlob, sonst wär’s uns noch viel schlechter ‘gangen. Überall standen sie herum, frisch gehobelt, die Böden und die Deckel; und immer wurde dann mal einer geholt, gebeizt und ausgeschlagen zum Verkauf. Bis dahin aber schliefen wir nicht nur drin, sondern die Mutter brauchte sie auch als Ersatz für Schränke und Kommoden, die wir nicht hatten. Das frisch gebackene Brot hielten wir drin und die Dauerwürst’ und die Wäsche und Anzüg’ für die Buben und von uns Madeln ebenso, halt alles, verstehst? Sie waren halt so geräumig und so bequem, die neuen Särg’, und wir waren froh, daß wir s’ hatten — ja.<
    Dann machte sie eine Pause und legte den Kopf gewichtig zur Seite: >Nur eine Ausnahme gab’s! Einen Sarg durften wir nicht benutzen, das war der Sarg, den der Vater für sich selber gemacht hatte. Als Geselle hatte er mal so einen Prachtsarg in der Stadt gesehen und als die Mutter tot war, fing er an, ihn nachzubauen. Immer, wenn er ein paar Stunden frei hatte, arbeitete er an ihm. Er war so schön, wie noch niemand je bei uns einen gesehen oder bestellt hatte. Er war aus Eiche mit geschwungene Füß’, und als dann der Franzel, der Älteste, drüben in Amerika starb und wir die große Erbschaft machten, da hat dann der Vater auch die silbernen Beschläge dafür gekauft und aufgesetzt. Wir blieben weiter in unserm Häusl, trotz des vielen Geldes. In Grund und Boden hat’s der Vater angelegt, und das war gut. So hat’s seinen Wert behalten. Nur er hat nicht mehr viel Freud’ dran haben dürfen. Immer, wenn eins von den Kindern starb, ward er ‘n bißl krummer und weniger, und mit sechzig sah er aus wie hundert. Dann starb er, und als ich ihn in seinem Sarg eingebettet hatte, sah er wie ein kloan’s Kind aus. Der war viel zu groß für ihn, der Sarg...<«
    In diesem Augenblick läßt Peter nach längerer Pause wieder einen Babyschrei los. »Wenn Sie jetzt mal den Kopf ganz festhalten könnten!« höre ich Frau Weber. »An den Ohren sind sie nämlich besonders empfindlich, man kann leicht danebenschneiden.«
    Ich schleiche mich Wieder in die Bibliothek zurück und stelle mich ans Fenster. Vor mir ist das ängstliche Gesicht der Lisi Lindemann. Ein Leben zwischen Särgen — und eine Weltreise erster Klasse auf einem Luxusdampfer — nein, das paßt wirklich nicht zusammen. Es ist erstaunlich, was für einen sicheren Instinkt, was für ein Stilgefühl die Menschen, hier herum haben, welch starkes Gefühl für die einheitliche Lebenslinie! So wird sie also weiterwerkeln in ihrem großen Haus, die Lisi, fleißig, schüchtern und nun ohne Sorgen, bis eines Tages dieses Leben auch erlischt, ausgeht — wie ein kleines Licht. Vielleicht sucht sie sich aber vorher noch ihren Sarg aus, einen besonders schönen.
    Zu meinen Füßen ist ein Seufzen. Der weiße Kastenbart ist mir wie ein Schatten gefolgt, hat sich zusammengekringelt und ist nun am Einschlafen.
    Da erhebt sich eine Unruhe vor der Tür! Das Bad ist geöffnet, Peter bellt zum ersten Male wieder und schreit nicht mehr. In die Bibliothek hinein schießt nun etwas Schwarzes, völlig Fremdes. Es ist ein Zauberwesen, aus schwarzem Glas geblasen.

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