Zwei Toechter und drei Hunde
Spitzes, hohes Köpfchen mit großen Dreiecksohren, darunter dicke, lange Fellbeinchen und ein tiefer Bug, der sich hoch hinaufschwingt und auf dem seidigen, glatten Rumpf eine Wespentaille erzeugt, hinter der zwei kokette Pluderhöschen sitzen, die wiederum durch ein keckes, dünnes Schwänzchen abgeschlossen werden.
Im Gefolge dieses Zauberwesens Frau Weber, die Mama und Anette: »Ist er nicht hinreißend?« fragt sie. »Wie findest du ihn?«
»Wie einen zweimal verknoteten Schnürsenkel«, sage ich, um meine Rührung zu verbergen.
»Er ist der schönste Pudel, den ich je getrimmt habe«, erklärt Frau Weber nachdrücklich.
Die Mama kann nur gerührt flüstern: »Gleich holt dir die Oma was aus der Küche, mein armer, kleiner Negerjunge...«
Der >arme, kleine Junge<, von der Folter befreit, .rast inzwischen wie verrückt die Treppe hinauf, wieder ‘runter, über meine Couch, den Teppich, auf Weffis Rücken — überall schwarze Haarflocken hinterlassend. Weffi, auf diese ungestüme Weise aus seinem Altersschlummer gerissen, schnappt erst nach ihm, dann beriecht er den so verwandelten Knaben und versucht dann, ihn sich unterzuklemmen. Es mißlingt natürlich. Eher hätte er sich an einem Aal in Schmierseife versuchen können — Peter ist im Nu weg und oben in der Küche bei Mama, während der Kastenbart verdutzt in der Gegend steht. Die unvermutete jugendliche Reaktion des alten Herrn wird von Frauchen gerügt: »Aber das kannst du doch mit Brüderchen nicht machen!«
»Warum denn nicht?« sage ich. »Es ist sein schönstes Kompliment.« Frauchen bückt sich nach den Haarbüscheln: »Sie spießen sich in den Velours, und man kriegt sie mit keinem Staubsauger wieder weg. Aber — findest du ihn nicht hinreißend?«
»Den Staubsauger oder den rasenden Schnürsenkel?«
»Auf der Ausstellung würde er ohne weiteres eine Goldmedaille kriegen!« erklärt Frau Weber. Beide sehen mich streng an, und ich muß lachen: »Na ja, er ist wirklich bezaubernd.«
»Findest du wirklich?« bohrt Frauchen.
»Finde wirklich!«
»Dann geh mal gleich mit ihm und Weffi ‘raus. Aber achte darauf, daß ihm nicht alle aufs Köpfchen fassen, sonst leidet die Frisur.«
»Ich achte auf die Frisur.«
Der rasende Schnürsenkel, von der Mama gefüttert und dadurch offenbar mit zusätzlicher Energie erfüllt, fegt die Treppe herunter, an Weffi und mir vorbei über die Terrasse ‘rüber zu Bentlers, wo er auf ihrem Rasen sofort in die Hocke geht und dort eines seiner kläglichen Würstchen niederlegt. Offenbar reagiert er damit seine innere Erregung ab. Addi, die sonst von derartigen Geschenken nicht sonderlich begeistert ist, stürzt aus dem Haus: »Mein Gott, ist der wieder süß!«
»Hast du ihn auch brüllen hören, als man ihn aus dem Anzug stieß?«
»Nein, ich hatte die Waschmaschine laufen. Ja, ist der goldig! Komm doch mal her, du süße Glasbläserei!« Sie preßt ihn an sich. »Komm ihm nur nicht an das Haarkrönchen!« sage ich.
»Quatsch, warum denn nicht?«
»Das sage ja nicht ich, sondern Anette.«
»Das ist was anderes! Entschuldige bitte.«
»Warum ist das was anderes?«
Sie überlegt einen Augenblick: »Weil es ihr Hund ist.«
»Gestatte, daß ich dazu Quatsch sage! Ihr fürchtet gegenseitig eure Krallen — aber uns haltet ihr für Flaschen.«
Sie steht auf, läßt Peter weiterrasen: »Eine gute Flasche ist auch nicht zu verachten.«
»Übrigens, was macht Susanne?«
»Ach, aus der kriegst du ja nichts ‘raus.«
»Ich finde, sie benimmt sich fabelhaft.«
»Ja, viel zu fabelhaft.«
»Na, vielleicht ändert sich das morgen, wenn Enrico kommt.« Wir grinsen uns verschwörerisch an. Sie faßt mich an und dreht mein Gesicht zur Seite: »Warst du auf der Mensur?«
»Nein, kleines Andenken von Peters Trimmerei. Das Hemd ist auch kaputt.«
»Die Mama winkt, anscheinend sollst du kommen.«
»Wird Telefon sein. Halte bitte die Gartentür zu, damit dieser Aal im Garten bleibt.«
»Mach ich.«
Auf der Terrasse hält die Mama mich fest. »Marc ist da. Wieder hinten ‘rum durch die Hecke! Alberner Kerl. Jetzt sitzt er in der Bibliothek. In einer Stunde spätestens mußt du ihn aber ‘rausschmeißen, dann essen wir nämlich.«
»Gut. Gut.« Ich gehe in die Bibliothek, wo Marc höflich, aber verdüstert in ein Cognacglas stiert. Anette, die ihm bis dahin Gesellschaft geleistet hat, steht jetzt auf: »Sie entschuldigen mich, Marc, ich muß noch das Bad in Ordnung bringen. Peter-chen ist nämlich gerade
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