Zwei Toechter und drei Hunde
so, als habe mich ein Kater angesprungen. Peter kriecht an mir hoch, als ob er mir am liebsten auf den Kopf steigen möchte: nur du allein kannst mich noch vor diesen wilden Weibern retten!
Ich nehme sein Köpfchen an meine Schulter: »Aber — aber, mein kleiner Negerjunge — wir sind doch sonst so mutig! Sieh mal, das geht doch nun nicht anders, du kannst doch nicht als Wollmatratze ‘rumlaufen, bei der man nie weiß, wo vorn oder hinten ist! Weißt du: das ist wie bei der Steuer: ob du willst oder nicht, Haare mußt du lassen und kannst noch froh sein, wenn sie dich nicht ganz aus dem Anzug stoßen.«
Während ich auf ihn einredete, habe ich ihn ganz langsam wieder auf das Marterbrett gesetzt und seine schlotternden Vorderbeinchen fest umklammert, während Frauchen dasselbe mit den Hinterbeinen tut: »Du blutest im Gesicht«, sagt sie. »Das machen wir gleich hinterher mit Jod.« Die Trimmerin hat ganz leise die Schere wieder in Bewegung gesetzt. Peter zittert, aber er hält still. Seine Augen bleiben vorwurfsvoll in den meinen: Auch du hast mich verraten...
»Ich glaube«, sagt die Trimmerin, »am besten unterhalten wir uns ganz ruhig, so, als ob wir uns gar nicht um ihn kümmerten. Sie sind wie kleine Kinder, die es immer wilder treiben, solange sie Publikum haben. Da hatte ich einen Kerry Blue — der von Frau Schmidt — Sie wissen doch, Schmidt und Bäuerle, Küchenmöbel...«
Ihr Redefluß rauscht dahin, und ich schaue derweilen in diese braunen Hundeaugen und flüstere ab und zu etwas in die traurig herabhängenden großen Dreiecksöhrchen, etwas, in dem viele >Fein< und >Weffi< und >Peterle< vorkommen. Dann spitze ich aber plötzlich die Ohren. Das ist ja toll, was Frau Weber da eben zum besten gibt, während sie kunstvoll ein Plusterhöschen an einem pfeilschlanken schwarzen Leib formt, der wie Persianer in dunklen Seidenspiegeln schimmert: »... ja, die alte Lindemann ist überhaupt ein Original. Wissen Sie, da erzählt sie mir doch neulich — ihr Vater war nämlich Sargschreiner...«
»Moment mal«, unterbricht Frauchen, »Lindemann? Das ist doch die Dicke in dem Haus gleich unterhalb der Kirche, wo...«
»Aber nein«, sagt die Trimmerin, »das ist die Lindner! Die Lindemann, die ich meine, wohnt im Haus am Verkehrsspiegel...«
Die Lindemann? Plötzlich weiß ich, um wen es sich handelt. Vor meinen Augen steht ein ergrautes, schüchternes Frauchen, das mutterseelenallein in einem großen Hause und auf einem noch viel größeren Grundstück wohnt, das bis zur Straße hinabreicht. Eine Zeitlang reparierte sie meine Hemden, Manschetten und Kragen, wozu sie prinzipiell ein Vier- oder Rechteck aus dem hinteren unteren Teil schnitt, den sie dann durch neuen Stoff ersetzte. Nur hatte dieser leider in den seltensten Fällen auch nur annähernd die gleiche Farbe wie das übrige Hemd. Als ich mich dann mal bückte — aber, das würde hier zu weit führen! Jedenfalls kam ich mal mit ihr ins Gespräch, als ich an einem Herbstabend ein Hemd bei ihr abholen sollte. Sie ließ mich auf der Ofenbank in dem niedrigen Zimmer mit den Eisenstäben vor den Fenstern Platz nehmen, wo auch das Plättbrett stand. Es roch nach Äpfeln und heißem Eisen und ein wenig nach Katze und dem starken Himbeergeist, den sie mir in einem dickwandigen Stamperl zelebriert hatte. Ich fragte sie, ob das Haus ihr gehöre.
»Ja...« Sie heftete ihren furchtsamen Vogelblick entschuldigend auf mich, als sei ich von der Steuerfahndung. »Ganz allein — ja... Sind alle weggestorben, die Brüder, die Schwestern — ja. Im Kindbett und im Krieg gefallen, und die Christi hat’s im Krieg auch erwischt, zusammen mit der Sofie, die, wo in der Stadt wohnte. Eine Bombe — ja. Und die war damals auch schon Witwe, die Sofie. Kinder waren noch nirgends, denn das von der Barbara ist ja im Kindbett mit ihr geblieben — ja. So bin ich denn halt die letzte...«
Jetzt kommt mir die Stimme von Frau Weber im Bad wieder zum Bewußtsein: »>Ja mei<, hab’ ich der Lisi (Lindemann) gesagt, >du weißt wohl, daß du eine Millionärin bist? Das große Haus, der Grund, bis ‘runter an die Straße, aus dem man sechs Parzellen schneiden könnt. Und die Wälder dazu oben am Hartmannskopf, alles geerbt von den Brüdern und den Schwestern. Und du kriechst hier herum und nähst mit ‘ner Tretmaschine und ‘ner Stahlbrille, die dir nimmer paßt, und zählst die Buchenscheite im Winter! Für wen denn? Wenn du nur einen Wald verkaufen würdest, kannst eine
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