Zwei Worte bis zu Dir - Die Wildrosen-Insel 1: Ein Serienroman (German Edition)
dich zu nerven, ich muss dich wiedersehen. Ich muss mit dir reden. Bitte tu nicht so, als wären wir Fremde. Was auch immer ich getan habe, bitte gib mir wenigstens die Chance, es dir zu erklären.
Seufzend lehnte sie sich zurück und starrte in die Ferne. Die Nachmittagssonne tauchte den Rasen ihres Grundstücks in leuchtendes Gelbgrün. Das Klettergerüst und die Schaukel neben der Garage warteten darauf, zu Beginn der neuen Woche erneut mit Leben erfüllt zu werden. Aber wann würde sie selbst mit neuem Leben erfüllt werden? Mit Energie, die ihr das Selbstvertrauen und die Kraft geben würde, Lenny komplett aus ihrem Gedächtnis zu streichen?
Sie dachte an Gregor und die süße Freiheit, die der Abend am Strand bedeutet hatte. So neu diese Erfahrung auch gewesen war, sie hatte etwas in ihr geweckt, von dem sie gar nicht gewusst hatte, dass es existiert. Sie spielte mit dem Gedanken, ihn anzurufen oder ihn einfach zu besuchen, verwarf die Idee jedoch sofort wieder. Für Gespräche dieser Art fühlte sie sich nicht in der Lage. Noch nicht.
Das Zufallen des Fliegengitters riss sie aus den Gedanken.
Ehe sie aufschauen konnte, stand ihre Mutter mit einer Porzellanschale in den Händen vor ihr. Sie war durch das flache Holztor zwischen den Grundstücken beider Haushälften herübergekommen.
»Ich habe Grießpudding gemacht«, sagte sie. »Den magst du doch so gern.«
»Mama!« Vanessa schaute ihrer Mutter dabei zu, wie sie die Schale auf den runden Holztisch stellte und sich neben sie auf die Bank setzte. »Du musst nicht jedes Mal etwas kochen oder Blumen rüberbringen, wenn du einen Vorwand brauchst, um mich auszuquetschen.«
»Aber ich will dich doch gar nicht ausquetschen. Ich habe dich nur hier sitzen sehen. Noch dazu mit dem Foto von Lenny. Da dachte ich, du würdest dich über etwas Gesellschaft freuen.«
Vanessa lehnte sich seufzend zurück, während sie das Foto wieder in ihre Hosentasche schob.
Elisa legte den Arm um sie. »Willst du darüber reden?«
»Im Grunde will ich nicht mal darüber nachdenken«, antwortete Vanessa, »aber seitdem ich vorhin Katie am Hafen getroffen habe, ist alles anders. Nicht nur, dass er wieder zurück ist; ich habe jetzt erfahren, dass er wegen mir zurückgekommen ist.«
»Wundert dich das?« Elisa schaute sie stirnrunzelnd an.
»Du verstehst nicht, was ich meine, Mama. Er ist nicht mal eben auf Besuch hier, er hat seinen Job hingeschmissen und ist zurückgekommen. Wegen mir, verstehst du? Wegen mir! «
»Na ja, dafür gibt es doch sicher auch noch andere Gründe, oder? Unzufriedenheit über mangelnde Herausforderungen im Job, Sehnsucht nach der Insel, die nebenbei bemerkt früher oder später jeden zurückkehren lässt. Sieh dich an. Du hast es damals auch nicht lange in der Stadt ausgehalten.«
»Du weißt, dass das etwas anderes ist. Papa war gestorben, du warst allein, und das Studium hat …« Vanessa stockte und atmete tief ein. »Aber darum geht es auch gar nicht. Katie hat mir bestätigt, wenn auch eher wortlos, dass ich der Grund für seine Rückkehr bin.«
»Na ja, wenn das so ist …« Elisa schob die Hände in den Schoss und schaute ins Leere. Scheinbar dachte sie in mütterlicher Fürsorge zum ersten Mal wirklich über die Konsequenzen seiner Rückkehr nach.
»Was denkt der sich eigentlich?« Vanessa redete sich in Rage. »Ich habe ihm damals nicht verziehen, warum sollte ich es jetzt tun? Zeit heilt alle Wunden, oder wie? Aber nicht mit mir, Freundchen. Nicht mit mir!«
Elisa lachte, was Vanessa nur noch wütender machte. Aufgebracht starrte sie ihre Mutter an. »Was ist bitteschön daran lustig?«
»Tut mir leid, Kleines, aber du redest, als stünde er gerade vor uns. Vergiss bitte nicht, dass es nach wie vor in deiner Hand liegt, wie du mit der Situation umgehst. Er kann sich noch so viele Hoffnungen machen – solange du dich nicht darauf einlässt, kann es dir doch egal sein.« Sie suchte ihren Blick. »Oder?«
Vanessa verschränkte die Arme vor der Brust wie ein beleidigtes Mädchen. »Es ist mir ja auch egal.«
Elisa kniff die Lippen zusammen, wie sie es oft tat, wenn sie ein Lächeln unterdrückte. Das Lächeln einer Mutter, die die emotionalen Ausbrüche ihrer Tochter nur allzu gut zu deuten wusste.
»Ich möchte, dass er verschwindet«, sagte Vanessa. »Besser heute als morgen. Soll er von mir aus einen Job in Honolulu annehmen. Hauptsache, er ist weg. Weit weg.«
Elisa musterte ihre Tochter stumm, bis sie schließlich das aussprach,
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