Zwei Worte bis zu Dir - Die Wildrosen-Insel 1: Ein Serienroman (German Edition)
fieberhaft nach etwas suchend, das einem Lächeln gleichkam. »Ich komme damit klar. Es gibt keinen Grund zur Sorge.«
»Meinst du das ernst?«
»Natürlich.« Vanessa zog ihr Handy aus der Jeanstasche. »Sorry, Katie, aber ich bin spät dran. Ich habe noch eine Verabredung.«
»Dann will ich dich nicht länger aufhalten«, entgegnete Katie, während das Alles-ist-gut-Strahlen in ihr Gesicht zurückkehrte. »Wir sehen uns ja am Montag.«
»Genau. In alter Frische.« Vanessa beugte sich für einen Wangenkuss vor und wandte sich von Katie ab, um den Hafen ohne Ziel zu verlassen. Dass sie eine Verabredung hatte, war natürlich ebenso gelogen wie die Bemerkung, dass sie spät dran war. Doch der Gedanke, weiter über Lenny zu reden, erschien ihr geradezu unerträglich.
Als sie ein paar Schritte gegangen war, wurde eine Frage, die sich während des Gesprächs ergeben hatte, unerwartet lauter. Wie eine Ahnung, die sich nicht unterdrücken ließ, ergriff sie langsam Besitz von ihr. Unweigerlich drehte sie sich um.
»Katie«, rief sie ihr nach.
»Ja?« Katie drehte sich mit dem Handy in der Hand um, das sie gerade erst herausgeholt hatte. Ob sie eine Nachricht an Lenny verfasste?
»Was hast du gemeint, als du sagtest, er ist wieder da ? Was genau bedeutet das? Ist er auf Urlaub hier oder dauerhaft?«
Vanessa verfluchte sich für die Zurschaustellung ihrer Neugier. Andererseits durfte sie die Gelegenheit, mehr über seinen Aufenthalt zu erfahren, nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Katie schwieg für einen Moment, als müsste sie sich selbst über die Tragweite ihrer Antwort bewusst werden.
»Er hat seinen Job nicht mehr«, antwortete sie. »Und er will hier zur Ruhe kommen, bevor er weiß, wie es weitergeht.«
»Was soll das heißen, er hat seinen Job nicht mehr? Wurde er entlassen?«
»Nein.« Wieder zögerte Katie. »Er hat ihn hingeworfen.«
»Hingeworfen? Aber warum?«
Katie schaute sie eindringlich an. Ein Blick, der jede Antwort überflüssig machte. Vanessa wusste es. Vermutlich hatte sie es die ganze Zeit über gewusst.
»Aber das ist … das kann er doch nicht machen. Er muss doch wissen, dass das mit uns keinen Sinn mehr hat.«
»Sag das nicht mir. Sag es ihm.«
»Aber das habe ich. Und mehr als einmal.«
Katie schob das Handy zurück in ihre Handtasche, ohne jedoch einen Schritt näher zu kommen. Die Situation hatte etwas Beklemmendes an sich.
»Er wohnt zur Zeit in unserem Gästebungalow«, sagte Katie schließlich.
Einen letzten schweigsamen Moment lang schauten sie einander an, dann nickte Katie ihr mit verblassendem Lächeln zu und drehte sich wieder um.
»Gästebungalow«, murmelte Vanessa leise vor sich hin, während sie ihr hinterherschaute.
* * *
Die Fassade ihres Hauses glich dem Gelb verblühender Rapsblüten vor dem Sommer. Nicht so grell wie zu Beginn der Blütezeit, sondern in einem blassen Ton, der gerade genug Intensität hatte, um sich von den anderen Häusern der Straße abzuheben, ohne dabei aufdringlich zu wirken. Die Fensterrahmen, das Spitzdach und die Eingangstür rundeten die perfekte Idylle in elegantem Weiß ab.
Vanessa liebte das Haus, das seit ihrer Geburt ihr Zuhause gewesen war. Hier war sie aufgewachsen, bis sie an ihrem zwanzigsten Geburtstag für einige Jahre, vom Freiheitsdrang der Jugend gepackt, in ihre eigene Wohnung in der Stadt gezogen war, um BWL zu studieren. Zwei Jahre später warf sie der Tod ihres Vaters emotional einige Zeit aus der Bahn und sie zog zurück zu ihrer Mutter. Nach dem Abbruch ihres Studiums, das sich als absolute Fehlentscheidung entpuppt hatte, wollte sie sich über ihre Zukunft klarwerden.
Vanessa senkte den Blick auf das Foto in ihren Händen. Seit mittlerweile zwanzig Minuten saß sie auf der pastellblauen Bank vor dem Haus und starrte auf das Verlobungsfoto, das sie und Lenny an ihrem großen Tag zeigte. Zwei strahlende Gesichter, die glaubten, dieselben Vorstellungen vom Leben miteinander zu teilen.
Sie hatte ihn kurz nach ihrer Rückkehr auf die Insel kennengelernt, als sie sich von Carina hatte überreden lassen, auf dem großen Wildrosenfest am Eisstand ihres Vaters auszuhelfen. Wie lange war das inzwischen her? Sechs Jahre?
Sie versuchte, die Gedanken zu verdrängen; doch sie hatten sich schon ein nächstes Objekt gesucht: Lennys Nachricht. Er hatte ihr wieder geschrieben, und wieder hatte sie ihren eigenen Vorsatz ignoriert, keinem seiner Kontaktversuche Beachtung zu schenken.
Liebe Ness, auch auf die Gefahr hin,
Weitere Kostenlose Bücher