Zwei Worte bis zu Dir - Die Wildrosen-Insel 1: Ein Serienroman (German Edition)
wieder mal herausbekommen, warum ich ihm die kalte Schulter zeige.«
»Dass sie auch direkt nebenan wohnen muss!«
»Na ja, es ist immerhin ihr Haus. Und ohne sie hätte ich mich niemals als Tagesmutter selbstständig machen können. Allein den Platz, den mir das Haus bietet, hätte ich woanders nicht bekommen; zumindest hätte ich es mir nicht leisten können.«
»Und er hat auch nicht geschrieben?«, hakte Carina nach.
»Nein. Sicher möchte er persönlich mit mir reden. Oder er … na ja … vielleicht ist er auch einfach froh, wenn er nicht nach Worten suchen muss. Schließlich sind wir Nachbarn. Da ist es irgendwie seltsam, wenn so was zwischen uns steht.«
Carina rieb sich mit dem Finger über ihre Schläfe, wie sie es manchmal tat, wenn sie nachdachte.
»So oder so wirst du um ein Gespräch nicht herumkommen«, sagte sie mit fester Stimme.
»Ich weiß«, antwortete Vanessa. »Das will ich ja auch gar nicht. Ich weiß nur nicht, was ich sagen soll, was ich tun soll.«
»Viel wichtiger ist doch die Frage, was du willst.«
»Was ich will?«
»Na ja. Du musst dir darüber im Klaren sein, wohin das führen soll. Willst du dich auf ein nächstes Date einlassen, auf eine Beziehung? Oder willst du es vergessen?«
Vanessa ließ die Worte ihrer Freundin auf sich wirken. Die Wahrheit war, dass sie nicht wusste, was sie wollte. Trotzdem konnte sie sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass sie das daran hindern sollte, Gregor weiterhin mit gutem Gefühl gegenüberzutreten. Immerhin war er das bisher einzige wirklich effektive Mittel, um sich von Lenny abzulenken. Welche Rolle spielte es da, ob er der Richtige für die Gründung einer Familie war oder ein Freund, mit dem man Pferde stehlen konnte? Er begehrte sie. Er gab ihr das Gefühl von Unbeschwertheit. Wie wichtig war es da schon, einen Plan zu haben? Lag der eigentliche Sinn nicht vielmehr darin, keinen Plan zu haben?
»Vielleicht will ich einfach nur genießen«, sagte Vanessa nach einer Weile. »Mein Leben, meine Leidenschaft, meine Freiheit.«
»Bist du es denn?«, fragte Carina mit eindringlichem Blick.
»Was meinst du?«
»Na ja … frei?«
»Aber natürlich. Ich bin seit zwei Jahren Single, das weißt du doch.«
Carina beugte sich über den Tisch und legte die Hand auf ihre. »So gesehen stimmt das natürlich. Aber was ist mit Lenny?«
»Was soll mit ihm sein? Er ist wieder hier, das ist alles. Wir sind kein Paar mehr, und was früher war, spielt heute keine Rolle mehr.«
»Weißt du denn, ob er länger auf der Insel bleiben wird?«
»Nein. Und ich will es auch nicht wissen.« Es machte sie wütend, dass Carina sie ausgerechnet jetzt an ihn erinnern musste. »Warum fragst du mich das alles?«
»Weil ich nicht möchte, dass du dich wegen ihm auf Gregor einlässt.«
»Und wenn es so wäre? Ist der Grund, warum man bei jemandem bleibt, nicht viel wichtiger als der Grund, aus dem man bei ihm gelandet ist?«
»Und wenn es ein und derselbe Grund ist?«
Vanessa wurde leiser. »Bitte sei einfach meine Freundin, Carina. Verurteile mich nicht für den Versuch, nach vorn zu schauen.«
Zum ersten Mal während ihres Gesprächs schlich sich ein Lächeln auf Carinas Lippen. Der belehrende, manchmal geradezu mütterliche Tonfall, der typisch für sie und oft auch hilfreich war, verflüchtigte sich und machte einem schwesterlichen Verständnis Platz.
»Es tut mir leid«, antwortete sie. »Ich wollte dich nicht kritisieren. Ich wollte dir einfach nur helfen.«
»Du hilfst mir schon, wenn du mir sagst, dass alles gut wird. So wie du es immer tust.«
Carina lehnte sich zurück und lachte leise. »Wenn es das ist, was du hören willst: Alles wird gut. Und wenn nicht jetzt, dann eben später.«
Vanessa griff nach der Wasserflasche. »Dann wollen wir hoffen, dass das ›später‹ nicht allzu lange auf sich warten lässt.«
»Mama?« Eine ungeduldige Kinderstimme bewegte sich vom Wohnzimmer durch die Terrassentür nach draußen. Niklas, Carinas Sohn, stand mit einem Skateboard unter dem Arm vor ihnen und hibbelte nervös von einem Bein auf das andere.
»Darf ich zu Timo rüber?«
»Hast du denn schon Hausaufgaben gemacht?«, fragte Carina, während sie ihm über das honigblonde Haar streichelte.
»Wir hatten nur Mathe auf, und das hab ich schon lange fertig«, antwortete er augenrollend. »Kann ich jetzt oder nicht?«
»Von mir aus. Aber spätestens zum Abendessen bist du zu Hause.« Carina gab ihm einen Kuss auf die Stirn, während Vanessa die
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