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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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Laute drangen aus seiner Kehle.
    Es mußte zehn Uhr oder noch später sein. Er lebte jetzt fast vierundzwanzig Stunden im Körper eines Tie res ohne sich daran gewöhnen zu können. Jetzt, wo es ihm bewußt wurde, war es noch schwerer zu ertra gen als zuvor.
    Er mußte hier heraus! Die kleine Reisetasche des Zweifüßlers stand auf dem Boden in der unmittelbaren Nähe des Waschbeckens. Er trat dagegen, riß sie auf und warf ihren Inhalt auf den Boden: eine Zahnbürste, ein Schachspiel, etwas billiges Schreibpapier, ein Taschenbuch mit zahlreichen Eselsohren, das den Titel ‚Brechts Planet – ein Rätsel des Universums’ trug. Nichts Brauchbares. Weinend eilte er in das Büro und hob den Telefonhörer ab. Die Leitung war noch tot, wahrscheinlich war sie um diese Zeit noch nicht mit dem Schaltbrett verbunden.
    Sein Blick fiel auf die Schreibmaschinen. Er setzte sich und nahm eine Hülle ab. In der Schublade fand er Papier und legte ein Blatt ein. Als er die Maschine angestellt hatte, saß er einen Moment ruhig da und schloß seine dreifingrigen Hände zusammen. In seinem Ge hirn formten sich die Worte „Mein Name ist Martin Naumchik. Ich bin gefangen in …“ Seine Finger klopften auf die Tastatur und die Typen schlugen ratternd gegen die Walze. Die Maschine sprang auf die nächste Zeile über und der Schmerz der Wirklichkeit war so groß, daß er instinktiv versuchte, sich auf die Lippen zu beißen. Er fühlte, wie das steife, taube Fleisch sich bewegte und dann an seinen Zähnen rieb, aber er sah sofort ein, daß das auf-die-Lippen-beißen eines der Dinge war, die ihm fortan unmöglich sein würden.
    Schreibmaschineschreiben schien ebenfalls dazuzugehören. Es war zu schwer. Er würde sich sicherlich niemals daran gewöhnen. Er sprang hoch wie ein angekettetes Tier.
    Nach einigen Minuten, die er blind vor Tränen der Wut über seine Ungeschicklichkeit verbrachte, zog er an den durcheinandergeratenen Typen, bis sie sich entwirrten. Dann versuchte er verzweifelt, mit einem Finger zu schreiben. ‚Mein Name ist M …’ Eine halbe Stunde später hatte er aufgeschrieben, was geschehen war. Das Wichtigste war, daß es ihm gelang, seine tatsächliche Identität nachzuweisen. Dies müßte schon die Einleitung bilden, sonst würde sein Brief ungelesen in den Papierkorb wandern. Er nahm ein neues Stück Papier und schrieb:
     
    An
    Frederic Stein
    Paris Soir
    98, rue de la Victoire
    Paris 9e (Seine)
     
    Lieber Frederic,
    du weißt, daß das, was ich dir schreibe, von mir ist. Folgendes wird es dir beweisen: Als ich zuletzt in Paris war und wir zusammen ins Rocking Horse gingen, tranken wir ein Pfefferminzgetränk. In der Karaffe wa ren drei Stück Grünzeug. Du hast mir von einigem Ärger mit deiner Frau erzählt, als wir darüber diskutierten, daß du einen Job als Provinzkorrespondent annehmen wolltest.
    Dies ist kein Witz. Ich brauche deine Hilfe – unternimm in Gottes Namen irgendetwas.
     
    Er machte eine kurze Pause. Trotz des Summens der angestellten Schreibmaschine hörte er Schritte auf dem Korridor. Er hatte kaum die Zeit, die Maschine abzustellen, zu verdecken und seine betippten Blätter in der Schublade zu verstecken, als ein junger Wärter mit einem pickligen Gesicht eintrat und auf einem Karren zwei dampfende Tabletts vor sich herschob.
    Es war Frühstückszeit. Sein erster Tag als Tier hin ter Gittern begann.
     

III
     
    Im Jahre 2369, zweihundert Jahre nach Klements mittlerweile in Vergessenheit geratenem Experiment, sah der Pilot eines Abfangjägers siebentausend Meter über Stuttgart ein Objekt auf seiner Radarortung. Wahrscheinlich war es nichts anderes als ein Vogel, aber man konnte nie sicher sein …
    Der Pilot betätigte den ‚Intercept’-Knopf und lauschte dem Dröhnen der Maschinen unter seinem Cockpit, als die wolkenbedeckte Erde sich unter ihm wie ein Globus drehte. Ein schwarzer Punkt erschien direkt vor ihm und wuchs zu einer unregelmäßigen Form an. Der Bordcomputer identifizierte ihn als eine nicht eisenhaltige Masse mit einem Gewicht von 136,72 Kilogramm, die frei fiel.
    Mit dem Finger auf dem Feuerknopf starrte der Pilot hinunter, dann wischte er sich über die Augen und stutzte.
    Das Objekt vor ihm war ein antikes Sofa, so er noch Herr über seine Sinne war, mit einem Mann und einer Frau darauf, die sich eng umschlungen hielten. Sie wa ren leicht bekleidet …
     
    Hier, mitten über der Stadt, waren die Straßen so hell wie jeden Tag. Die Menschen wanderten über die

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