Zweibeiner sehen dich an
seine Augen blau. Er wirkte wie eine Mischung aus Verworfenheit und Unschuld. „Hallo, Naumchik!“
„Hallo, Wallenstein.“ Der plumpe Mann winkte den Barkeeper heran. „Gib mir ’n Schwarzen Mittwoch, Emil. – Paß mal auf, Naumchik: Du bist genau der Mann, den ich suche. Kennst du Kohler, den Mann der die Provinz-Wochenblätter rausbringt?“
„Sicher. Was ist mit ihm?“
„Naja, eigentlich ist es lächerlich. Ich stehe in seiner Schuld. Ich hab’ ihm versprochen, die Zoogeschichte für seine Blätter zu schreiben. Aber jetzt ist mir was dazwischengekommen. UPI hat mir ’ne Stelle in Oslo angeboten. Ein Zwei-Monats-Job. Sie tragen alle Kosten, einschließlich die der besten Hotels. Da ich schon morgen abreisen muß, schaffe ich die Sache für Kohler nicht mehr. – Würde dir das was ausmachen, Naumchik? Mehr als ’ne halbe Stunde dauert das sowieso nicht. Ich würde sogar was aus meiner eigenen Tasche drauflegen.“
„Moment, Moment – ich komme nicht ganz mit. – Welche Zoogeschichte? Um was geht’s denn da?“
„Einer der beiden Zweifüßler hat ein Junges geboren“, erklärte Wallenstein, „das ist natürlich ein gefundenes Fressen für Kohlers bäurische Leserschaft. – Was meinst du?“
„Nun … eigentlich wüßte ich nicht, was mich daran hindern sollte …“ begann der junge Mann. Er brach mitten im Satz ab. Welch eine Sache! Aus den Tiefen seiner Erinnerung tauchte das Bild einer zweibeinigen Kreatur, die mit beiden Fäusten gegen die Glaswand eines Käfigs trommelte, auf – während er selbst in der Kälte stand und erstaunt auf seine fünffingrigen, rosafarbenen Hände starrte.
Seltsam, daß er nach all diesen Monaten zum erstenmal daran denken mußte.
„Machst du’s?“
„Wenn ich es mir recht überlege … nein“, erwiderte der junge Mann. „Ich glaube nicht, daß es ratsam wäre …“
„Nicht ratsam?“ echote Wallenstein. „Was meinst du damit? Komm, Kumpel, ich leg’ noch einen Zehner auf die Zwanzig von Kohler – wie wäre es dann?“
Naumchik leerte sein Glas in einem Zug und setzte es ab. „Nein“, wiederholte er, „es tut mir leid, aber mir fällt gerade ein, daß ich morgen anderweitig zu tun habe.“ Er klopfte dem schwerfälligen Wallenstein auf den Rücken. „Du wirst schon einen finden, der dir die Sache abnimmt. Nur Mut. – Tschüß, Wallenstein.“
Wallenstein starrte ihn an. „Wenn du absolut nicht willst …
Ich hätte nicht gedacht, daß du dich eines Tages als Bastard entpuppst …“
Naumchik grinste. „Sind wir das nicht alle? – Machs gut, Mann.“
Er ging pfeifend hinaus. Auf der Schwelle blieb er stehen und sog tief die Luft ein. Es schneite nicht mehr. Die Sterne glänzten kristallklar über den Hausdächern.
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