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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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„Entsetzlich“, sagte er.
    Überrascht und verletzt stand der junge Mann eine Zeitlang da und beobachtete die Umgebung. Dann wandte er sich in die entgegengesetzte Richtung, ging über einen Platz bis zu einem Gebäude, auf dem „Café Kranzler“ stand. Der Anblick der Menschen, die er durch das große Fenster sehen konnte, erinnerte ihn daran, daß er hungrig und durstig war. Er zögerte zunächst, trat aber dann doch ein. Ein schlanker Kellner in einer roten Weste sprach ihn im Foyer unterwürfig an. „Bitte sehr, mein Herr? Wünschen Sie einen Tisch?“
    „Ja, danke“, erwiderte der junge Mann. Der Kellner schien einen Moment lang zu überlegen, sah ihn mißtrauisch an und ging dann voraus. „Bitte hier entlang, mein Herr.“
    Der junge Mann gab seinen Mantel und seine Kamera einem jungen Mädchen an der Garderobe. Im Innern des Cafés bewegten sich die rotbewesteten Kellner wie winzige Ameisen zwischen den weißen Tischen. Der Raum war angefüllt mit Samt und Seide in allen möglichen Farben, mit geschminkten Mündern und lachenden Gesichtern. Unbekannte Essensdüfte lagen in der Luft. Der dicke Teppich verschluckte sei ne Schritte. Es gab laute Stimmen, rasselnde Bestecke und Musik aus einer unsichtbaren Quelle.
    Ein wenig eingeschüchtert von soviel angehäuftem Luxus, folgte der junge Mann dem Kellner an einen kleinen Tisch und ließ sich nieder. Der Kellner öffnete einen steifen Ordner und legte ihn ihm vor. Der junge Mann ergriff ihn automatisch und wußte sofort, daß dies die Speisekarte war.
    „Möchten Sie mit einem Aperitif beginnen, mein Herr?“ fragte der Kellner. „Hors d’oeuvre? Oder lieber Salat?“ Der junge Mann warf einen Blick auf die Kar te, legte sie jedoch wieder hin.
    „Nein“, erwiderte er, „aber …“
    „Dann nur das Abendessen“, unterbrach ihn der Kellner brüsk. „Wenn Sie erlauben: Ich kann Ihnen heute Truite oder Beurre canopéen sehr empfehlen, mein Herr. Mit einem ausgezeichneten Moselwein.“
    „In Ordnung“, sagte der junge Mann zögernd. „Aber zuerst …“
    „Sie haben sonst noch einen Wunsch? Vielleicht doch zuerst einen Aperitif?“ fragte der Kellner indigniert. „Oder ein Hors d’oeuvre?“
    „Nein, ich möchte nichts von alldem, danke“, sagte der junge Mann mit einer wegwerfenden Handbewegung. Der Kellner wischte über das Tischtuch und sah ihn fragend an. „Bitte?“
    „Seien Sie so freundlich und zeigen Sie mir den Weg zur Toilette“, sagte der junge Mann, langsam aufblickend. Er rechnete fest damit, daß der Kellner genauso reagieren würde wie die Frau auf der Straße, aber sein glattes Gesicht blieb völlig ausdruckslos, als er sich etwas herunterbeugte und murmelte „Die Tür befindet sich hinter dem Vorhang, mein Herr.“
    „Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen.“
    „Nichts zu danken, mein Herr.“ Der Kellner verschwand. Der junge Mann erhob sich und ging in die angezeigte Richtung, und obwohl er sich die allergröß te Mühe gab, sich elegant zu bewegen, erschien ihm sein Körper mehr als plump. Manchmal vergaß er sich, machte zwischen einzelnen Schritten eine Pause und versuchte, sich die Schuhe abzustreifen. Einige Gäste musterten ihn bereits mit seltsamen Blicken, und er zwang sich, diesen von innen kommenden Drang so bald wie möglich zu besiegen. Als er nach einigem Ärger mit der ihm unbekannten Wasserspülung an seinen Platz zurückkehrte, war der Kellner gerade dabei, eine gedeckte Platte zu servieren.
    Der junge Mann setzte sich wieder. Der Kellner entkorkte eine schlanke Flasche, schüttete eine durchsichtige Flüssigkeit in ein Glas und blieb abwartend stehen. Der junge Mann sah auf seinen Teller, auf dem das Essen dampfte. Es gab fünf oder sechs verschiedene Speisen, von denen jede ihre eigene Farbe besaß und die wunderschön auf dem Teller arrangiert worden waren. Er hatte so etwas bisher nie gesehen, abgesehen von den gelegentlichen Farbbildern in Illustrierten. Auch die Gerüche waren ihm unbekannt.
    Er ergriff eine Gabel und spießte das größte Stück auf, eine oval geformte, gebratene braune Masse, über die eine Flüssigkeit geträufelt worden war. Er führte die Gabel zum Mund, was erst beim zweiten Versuch klappte. Das Stück lag wie ein feuchter, scheußlicher Kloß auf seiner Zunge und sein Geschmack war derart erschreckend, daß er ihn augenblicklich wieder ausspuckte. Der Kellner starrte auf den Teppich, dann auf den jungen Mann und verschwand.
    Der junge Mann versuchte eifrig, sich die

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