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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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schluckte und dachte über ihre Worte nach. Dann legte er sein Brot hin.
    „Aber … wenn du nicht meine Schwester bist …“
    „Ja?“
    „Wer bist du dann?“
    Die junge Frau errötete und schaute zur Seite. „Mach dir nichts draus, Martin. Nur eine Freundin. Wir sind Freunde. – Gib mir bitte die Zigaretten.“ Er folgte ihrem Blick, aber auf dem Tisch waren nur ein Aschen becher und eine emaillierte Schachtel. Er hob den Dec kel, richtig, es waren Zigaretten darin. Sie nahm eine, zündete sie mit einem kleinen Feuerzeug an und begann den Qualm zu inhalieren. Mit der linken Hand rückte sie geistesabwesend die Tischdecke zurecht.
    „Möchtest du keine?“ fragte sie. Der junge Mann blickte zweifelnd auf die weißen Stäbchen. Er hatte bisher nie versucht, eine Zigarette zu rauchen, aber zweifellos gehörte das Rauchen zu den Dingen, die man beherrschen sollte. Er steckte eine Zigarette zwischen die Lippen, nahm sie wieder in die Hand und sah sie an; dann zündete er sie an und saugte vorsichtig. Die Zigarette glühte. Kalter, bitterschmeckender Rauch strömte in seinen Mund. Bevor er sich bewußt wurde, was er tat, war er bereits in seiner Lunge, was er zu seiner Überraschung als angenehm empfand. Er zog noch einmal an der Zigarette. Freudig stellte er fest, daß der Rauch irgendwie ein quälendes Unbehagen befriedigte, das er verspürt hatte, seit er aus dem Zoo fort war.
    „Wie schön das ist“, sagte er und starrte auf das glimmende, zylinderförmige Stäbchen. Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen. Sie lehnte sich vor und legte ihre Wange an die seine. Ihre Arme legten sich krampfhaft um ihn.
    „Oh, Liebling – hast du auch das vergessen?“ sagte sie und begann zu weinen.
     

XI
     
    Der Zweifüßler erwachte. Das Zimmer war von blassem, farblosem Morgenlicht überflutet. Er stieg langsam aus dem Bett und gähnte.
    Welcher Tag war heute? Er konnte sich nicht erinnern. Aber was tat es schon zur Sache? Es war ja sowieso egal.
    Er konnte Emma in ihrem Büro hören. Sie klapperte schon auf der Schreibmaschine herum. Der Zweifüßler trank einen Schluck Wasser und sah in das andere Zimmer. Bis jetzt war noch niemand am Zaun zu entdecken, denn um diese Zeit war der Zoo noch geschlossen. Dann ging er in sein Büro und setzte sich an den Schreibtisch.
    Im Eingangskorb stapelten sich die Aufträge, die er gestern nicht mehr erledigt hatte. Aber es handelte sich ausschließlich um Formulare, sonst gab man ihm nichts mehr zu tun. Er nahm das oberste, legte es dann aber wieder weg, ohne den Versuch unternommen zu haben, es zu lesen. Es war ihm zuviel Arbeit.
    Das weibliche Wesen sagte mit leiser Stimme etwas. Er war so überrascht sie sprechen zu hören, daß er überhörte, was sie gesagt hatte.
    „Was?“
    Sie sagte, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen: „Glaubst du, daß du der einzige bist, der unglücklich ist? Ich nicht.“
    Der Zweifüßler sah sie an. „Was meinst du damit?“
    „Auch andere haben ein schweres Schicksal.“ Sie zog geschickt die Seite aus der Maschine und legte sie auf den Stapel. Dann nahm sie ein neues Blatt und tippte weiter. Der Zweifüßler reagierte beleidigt.
    „Was soll das heißen?“ sagte er wütend. „Was verstehst du überhaupt davon?“ Bevor sie eine Antwort geben konnte, öffnete sich die Tür. Emma hörte auf zu schreiben. Sie wandten sich beide um und beobachteten Otto, der, seinen Karren schiebend, hereinkam. „Frühstück“, sagte er mürrisch. „Eßt und vergeudet nicht meine Zeit.“ Er stellte seinen Korb auf den Tisch des Zweifüßlers, der Arbeit für ihn enthielt, einen anderen bekam Emma. Ärgerlich nahm der Zweifüßler seinen Teller und verschwand in seinem Zimmer. Was meinte sie mit ihren Worten? Wer war sie überhaupt, daß sie sich erdreistete, so mit ihm zu reden? Sein Ärger wuchs. Das Essen schmeckte ihm nicht und er stellte den noch halbvollen Teller beiseite, um in das Büro zurückzukehren. Aber Emma war nicht mehr da.
    Ziellos ging er eine Weile herum und betrachtete die grauen Fußbodenfliesen. Sein Blick fiel dabei auf die Markierung, jene Kreidelinie, die Grück quer durch den Raum gezogen hatte.
    Welche Ironie! Sie taten so, als müßten sie Emma vor ihm schützen, so, als sei er ein gewalttätiges ungeheuer.
    Er hörte ein Geräusch und als er sich umdrehte, sah er Emma aus ihrem Zimmer kommen. Als sie ihn sah, blieb sie stehen und tastete mit ihren Händen zu ihrem Knopf. „Sieh mal, Emma“, sagte der Zweifüßler ein wenig

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