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Zweibeiner sehen dich an

Zweibeiner sehen dich an

Titel: Zweibeiner sehen dich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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Augenwinkeln beobachtend. Das Tier starrte zurück und gab einen leisen, zischenden Laut von sich, ohne sich jedoch zu rühren. Ermutigt durchquerte der junge Mann den Raum und sah sich das Bild aus der Nähe an, aber es wurde ihm immer noch nicht klar, was es darstellen sollte.
    Verblüfft wandte er sich ab, als etwas großes Schmutzigweißes durch den Korridor hereingewatschelt kam. Es sah ihn mit kleinen roten Augen an und machte ein schnaufendes Geräusch. Speichel troff von den losen Lippen seines enorm breiten Mauls und zwei farblose Zähne reckten sich aus demUnterkiefer. Einen Augenblick lang starrte es den jungen Mann erstaunt an, dann sträubte sich sein grauweißes Rückenfell und es begann, einen bedrohlichen Lärm zu machen. Der junge Mann hob die Hand. Das Tier begann zu bellen und tanzte in der Tür herum, wobei seine Augen wie die eines Irren aus den Höhlen hervortraten, so daß nur noch das gelbliche, rotgeäderte Weiß zu sehen war.
    Der junge Mann wich zurück, so weit er konnte. „Churchill!“ rief die Frau aus der Küche. Der Hund drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der er die Stimme vernommen hatte, bellte aber weiter. „Churchill!“ sagte sie wieder und kam ins Zimmer, ihre Hände an der Schürze abtrocknend. „Pfui“, sagte sie und warf dem jungen Mann einen Blick zu. „Churchill, was ist los mit dir?“ Das Bellen hörte nicht auf. „Na gut“, sagte sie und schlug dem tobenden Tier mit der flachen Hand auf die Schnauze. Der Hund schluckte, schüttelte den Kopf und sah sie mit einem überraschten Ausdruck an. Dann bellte er noch einmal. Wieder traf ihn ein Schlag, aber diesmal weniger fest. „Schäm dich, Churchill“, sagte sie, „Pfui! Es ist doch Martin, kennst du ihn denn nicht mehr?“ Über die Schulter hinweg sagte sie entschuldigend: „Er hat dich vergessen.“ Sie brachte den Hund zur Tür. „Geh jetzt wieder in dein Körbchen zurück, Churchill. Böser Hund – geh!“ Der Hund wich langsam zurück, widerstrebend, verschwand aber dann knurrend und schnaufend. Aus dem Zimmer nebenan erklang noch ein letztes Bellen.
    „Es tut mir so leid, Martin“, sagte die Frau, „aber du mußt mich noch einen Augenblick entschuldigen – wegen des Kaffees.“ Sie ging in die Küche zurück und der junge Mann begann, innerlich leicht erregt, vor den Bücherregalen auf und ab zu gehen.
    Am anderen Ende des Raumes entdeckte er einen zierlichen Käfig, der an einem glänzenden Messingständer befestigt war. Er war mit einem beigefarbenen Tuch bedeckt. Seltsam, dachte er und zog ein Ende des Tuches hoch. Dort, im Finstern, saß ein winziger grün- und violettgefiedeter Vogel auf einem Miniatur-Trapez. Ein stecknadelkopfgroßes Auge sah ihn an und der Vogel fiepte:
    „Wiiiiik?“
    „Wie im Zoo“, murmelte er. Die Frau kam zurück, mit einem Tablett auf den Händen, auf dem sich beleg te Brote und Kaffee befanden. Sie stellte es auf dem Tisch ab. „Iß jetzt etwas, Martin, bestimmt bist du hungrig.“ Er ließ sich auf dem Sofa nieder und während er gehorsam die Brote aß und den wohlschmeckenden Kaffee trank, saß sie ihm gegenüber, hatte die Hände in den Schoß gelegt und lächelte ihn an. Ihre Wangen schienen vor Erregung gerötet, eine Haarsträhne hing unordentlich über ihre Stirn.
    „Iß nur. Es wird dir gut tun“, sagte sie. „Möchtest du etwas Musik hören?“ Der junge Mann nickte und sie stand auf, um mehrere Knöpfe eines an der Wand stehenden Gerätes zu drücken. Musik erklang nach wenigen Augenblicken, es war etwas Langsames und Beruhigendes, gespielt von einem Orchester mit vielen Geigen. Es machte ihm Spaß, und vor Freude wedelte er sein Brot hin und her. Die junge Frau seufzte, dann lächelte sie.
    „Nein – du erinnerst dich nicht, oder?“ fragte sie.
    „Erinnern? An was denn?“
    „An die Musik. Wir haben dieses Stück oft spielen lassen. Aber es ist ja nicht so schlimm.“ Sie stellte die Musik wieder ab.
    „Erinnerst du dich wirklich an überhaupt nichts?“
    „Ich glaube doch“, log der junge Mann vorsichtig. „Du bist meine Schwester.“
    „Nein“, erwiderte die junge Frau. „Das bin ich nicht. Ich bin es ganz und gar nicht. Du weißt es nicht mehr.“ Sie preßte die Lippen fest aufeinander und schloß die Augen.
    „Warum hast du dann dem Arzt erzählt, daß du meine Schwester seist?“ fragte der junge Mann verwirrt.
    „Weil sie dich nur herausgelassen haben, weil ich mich als Mitglied deiner Familie ausgegeben habe.“ Der junge Mann

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