Zweibeiner sehen dich an
mir!“ Sie ging abrupt zur gegenüberliegenden Wand, schob eine Verkleidung zur Seite und zog zwei Koffer aus dem Schrank, die sie auf das Bett legte. Dann zog sie eine Schublade heraus und stapelte eine Menge Kleidung auf.
„Hier, nimm dies!“ Sie drückte ihm einige Sachen in den Arm. „Du legst alles auf das Bett. Ich werde packen.“
„Wohin gehen wir denn?“ fragte der junge Mann und trug die Last gehorsam zum Bett.
„Wir gehen in meine Wohnung“, erwiderte sie, nahm die Kleidungsstücke, legte sie ordentlich zusammen und begann sie in den größeren der beiden Koffer zu legen. „Geh’ und hol’ noch mehr.“
Unter der ersten Schublade fand der junge Mann ei ne zweite. Er fand Socken und gab sie ihr.
„Wenn es Frau Beifelder nicht paßt, kann sie meinetwegen an ihrer Wut ersticken“, murmelte sie und legte mit schnellen, ärgerlichen Bewegungen die Hemden in den Koffer. Der junge Mann verstand kein Wort von alldem, aber er tat, wie ihm geheißen. Sie packte die ganzen Kleider – einschließlich zweier Anzüge – in den größeren Koffer, den anderen, der kleiner und flacher war, füllte sie mit den Papieren, die auf dem Schreibtisch verstreut lagen. Dann nahm sie beide Koffer und der junge Mann die Schreibmaschine. Mit dem Lift fuhren sie wieder hinunter, überquerten die Straße, bis sie zu einem anderen Fahrstuhl kamen und stiegen in einen Mietwagen, der genauso aussah wie der, mit dem sie gekommen waren.
Diesmal kamen sie an einer belebteren Straße an die Oberfläche zurück. Koffertragend liefen sie über einen Platz, vorbei an einer Horde herumschlendernder Mädchen, einem hochaufgeschossenen Jungen auf einem Einrad und einem Blumenverkäufer. Auf beiden Straßenseiten befanden sich Geschäfte mit interessanten Schaufensterauslagen. Der junge Mann hätte sie sich gerne angesehen, aber Frau Schorr ließ ihm keine Zeit zum bummeln. An der nächsten Ecke wandten sie sich nach links und betraten ein Gebäude, dessen Vorderfront mit blauen Steinen besetzt war.
Im Vorraum saß eine weißhaarige alte Dame mit runzligem Gesicht.
„Guten Tag, Frau Beifelder“, sagte Frau Schorr steif, aber die Alte gab keine Antwort und starrte ihnen aus zusammengekniffenen, rotumrandeten Augen nach. „Es kann ihr nicht schaden, mal so schockiert zu werden“, murmelte Frau Schorr, als sie sich in den Lift zwängten, trotzdem schien sie verzweifelt. Der junge Mann hätte ihr gerne etwas Nettes gesagt, aber er hatte keine Ahnung, was hier eigentlich los war und sagte deshalb nichts. Sie kamen in einen Flur mit rotlackierten Türen. Ein sonniges, gemütlich wirkendes Zimmer mit hellen Polstermöbeln und Teppichen lag vor ihnen.
Eine gelbbraune Katze sprang von ihrem Platz auf der Fensterbank herunter und kam auf sie zu. Hellblaue Augen starrten aus ihrem maskenhaften Gesicht. Der junge Mann nahm sie mit Überraschung wahr, denn er hatte Hauskatzen bisher nur auf Bildern gesehen. Ansonsten kannte er nur die Großkatzen aus dem Zoo – und die nur aus gebührender Entfernung.
„Ist sie wild?“ fragte er. Sie sah ihn erstaunt an und antwortete: „Maggie? Wie meinst du das?“ Sie bückte sich, um die Katze aufzuheben, die den jungen Mann anstarrte, einen Buckel machte und leise, wimmernde Töne von sich gab. Die Katze lag wie ein Stück Pelz in ihrem Arm, dann krümmte sie sich und sprang auf den Fußboden. Das Wimmern wurde lauter. Ihr Fell begann sich zu sträuben.
„Liebe Güte“, sagte die Frau. „Maggie, erinnerst du dich denn nicht an Martin?“ Sie sah ihn verwundert an. „Sie ist wohl etwas durcheinander. – Leg dich hin, meine Kleine, es ist alles in Ordnung. – Zieh’ deinen Mantel aus, Martin, und ruh dich ein bißchen aus. Ich werde dir ein paar Brote und eine Tasse Kaffee machen.“ Die Katze kam steifbeinig näher; Frau Schorr schob sie mit dem Fuß zur Seite. Mit einem ärgerlichen Kreischen sprang die Katze zurück aufs Fensterbrett. Ihre blauen Augen wurden schmal, vergrößerten sich jedoch sofort wieder, wenn der junge Mann eine Bewegung machte, und ihr Mund öffnete sich wie zu einem Grinsen, wobei sie ihre spitzen Zähne entblößte.
„Ich habe keine Ahnung, was mit ihr los ist“, sagte Frau Schorr aus dem Nebenraum, in dem sie mit den Töpfen klapperte. „Sie ist sonst ein liebenswertes Ge schöpf. Und sie mochte dich immer, Martin.“ Der jun ge Mann wollte ein Bild an der gegenüberliegenden Wand genauer betrachten und ging ein paar Schritte darauf zu, die Katze aus den
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