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Zweifel

Zweifel

Titel: Zweifel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ally Blue
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Toilette hinunter, um sich zu säubern. Wenn er den Tränen hinter seinen Augenlidern nachgab und sich selbst verfluchte, ging das nur ihn selbst etwas an. Bo musste davon sicher nichts mitbekommen.
    ***
    Sam rannte. Die eiskalte Luft brannte in seinen Lungen und Schweiß lief seinen Rücken hinunter. Der Bienville Square glitt langsam zu seiner Rechten vorbei. Die knorrigen, alten Eichen waren durch den frühmorgendlichen Nebel nur schemenhaft zu erkennen. Ihre nackten Zweige ragten dunkel und bedrohlich in den Himmel hinauf. Sam stellte sich vor, dass sie sich nach ihm ausstreckten und vergeblich nach seiner Kleidung griffen, während er vorbei lief.
    Normalerweise war er an einem Sonntag nicht so früh auf. Er zog es vor, an seinen freien Tagen ein bisschen in seinem Apartment zu faulenzen. In seinem Stuhl vor dem Fenster zusammengerollt und Kaffee trinkend beobachtete er nur zu gerne, wie die Stadt zum Leben erwachte.
    Heute aber war er nach wenigen Stunden Schlaf noch vor Sonnenaufgang hochgeschreckt und hatte das erdrückende Gefühl des Eingesperrtseins einfach nicht abschütteln können. Unwillig, der Ursache dafür auf den Grund zu gehen, hatte er seine Joggingkleidung, Handschuhe und eine Strickmütze angezogen und war Laufen gegangen.
    Die graue Stille der Dämmerung hatte ihn empfangen und inzwischen war eine Stunde vergangen. Der Nebel begann zu glühen, als goldenes Licht durch die Bäume brach. Und er war immer noch nicht weit genug gerannt, um dem letzten Tag zu entkommen.
    Bo hatte den ganzen Nachmittag über getan, als wäre nie etwas vorgefallen. Wäre da nicht die Anspannung in seinen Schultern und sein betont neutraler Gesichtsausdruck gewesen, hätte Sam glatt an seinen eigenen Erinnerungen gezweifelt. Die Verabschiedung am späten Nachmittag war sehr reserviert ausgefallen und Sam hatte Bo seither nicht mehr gesehen.
    Er machte einen großen Schritt über eine Wurzel, die aus einem Riss im Gehsteig ragte und bog auf einen schmalen Weg ab, der in die Mitte des Bienville Square führte. Der sonst so belebte Park war verlassen und ruhig. Die Melancholie, die über ihm lag, passte zu Sams Stimmung.
    Als er um eine Kurve bog, sah er eine Gestalt auf einer Bank am Rande des Parks sitzen. Die Person saß nach vorne gebeugt da und hatte die Ellbogen auf die Knie und den Kopf in die Hände gestützt. Sam verlangsamte sein Tempo und fragte sich, was diesen einsamen Spaziergänger wohl hierher gebracht hatte. Zweifellos kein freudiger Anlass.
    ‚Scheint der passende Morgen für sowas zu sein‘, dachte Sam mit einem ironischen Lächeln.
    Die Umrisse der Gestalt wurden schärfer, als Sam sich näherte und der Nebel sich lichtete, aber die Erkenntnis kam erst, als der Mann den Kopf hob und direkt in Sams Augen blickte.
    »Hey, Sam«, grüßte Andre ihn, als Sam neben der Bank zum Stehen kam. »Und ich hab' doch glatt erwartet, dass ich um diese Uhrzeit der Einzige hier bin.«
    »Ja, ich auch.« Sam ließ sich keuchend auf die Bank fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Alles okay bei dir?«
    »Nein.«
    »War hart gestern, hm?«, vermutete Sam und betrachtete Andres Profil, das ihm jedoch keinen Hinweis auf seine Gedanken gab. »Erinnert sehr an Oleander House.«
    Andres Schweigen war Antwort genug. Sam strich mit den Fingern über die Hand seines Freundes. »Willst du darüber reden?«
    »Nein.« Andres Stimme war flach und emotionslos, aber Sam ließ sich davon nicht täuschen. Er hatte in den letzten Monaten viel über Andre gelernt und er konnte sehen, wie sehr der Mann litt. Er wünschte sich zum wiederholten Mal, dass er die Zeit zurückdrehen und Amy zurückbringen könnte. Manchmal würde er alles dafür geben, um Amy wieder lebendig zu machen und sie lächelnd und lachend in Andres Armen zu sehen. Sogar sich selbst.
    Sam wusste nicht, was er sagen sollte. Er lehnte sich zurück gegen die Rückenlehne der Bank und bot Andre so schweigend seinen Beistand. Sie blieben dort sitzen, bis der erste Frühaufsteher erschien und mit einem Rottweiler an der Leine an ihnen vorbei joggte.
    Andre erhob sich.
    »Danke«, flüsterte er. Er nahm Sams Hand und drückte sie fest. Dann ging er, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Irgendwie ließ die Tatsache, dass seine Anwesenheit Andre geholfen hatte, etwas von Sams eigener Traurigkeit verschwinden. Er nickte einem älteren Paar zu, das Hand in Hand den Gehweg entlang schlenderte. Sam drehte sich um und machte sich auf den langen Rückweg nach

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