Zweifel
Blick zu. »Dean hat einen Abschluss in Informatik. Ich schätze, er wird mit Videos zurecht kommen.«
Sam fühlte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Er wandte sich wieder seinem Bildschirm zu, setzte die Kopfhörer auf und setzte das Abspielen des Videos fort. War es so offensichtlich, welche Wirkung Dean auf ihn hatte? Wenn sie herausbekamen, wie attraktiv er den anderen Mann tatsächlich fand, würden nicht nur David und Cecile, sondern wahrscheinlich sogar Andre versuchen, ihn mit Dean zu verkuppeln.
‚Wäre das wirklich so schlimm‘? , flüsterte die böse, kleine Stimme in seinem Hinterkopf. ‚ Dean ist verdammt heiß und er steht auf dich‘.
‚Aber ich kann nich‘t, widersprach Sam wortlos und runzelte die Stirn, während er auf das schwarz-grüne Bild auf seinem Computer starrte. ‚ Ich liebe Bo‘.
‚Natürlich tust du das. Aber was spricht dagegen, in alle Richtungen offen zu sein? Bo wird deine Gefühle nie so erwidern, wie du es dir wünschst. Wieso quälst du dich so‘?
Sam schüttelte den Kopf und zwang seine Konzentration auf das Video zurück. Er weigerte sich, dem verführerischen Wispern zu folgen, das ihn ermutigte, seinen körperlichen Bedürfnissen nachzugeben, ohne sich um die Konsequenzen zu scheren. Er hatte Bo schon genug verletzt. Wenn sie eine Chance als Paar haben wollten, konnte er es nicht riskieren, seiner Libido ihren Willen zu lassen.
»Was hast du gesagt?«
Erschrocken sah Sam zu Andre hinüber, der seine Kopfhörer abgenommen hatte und ihn fragend anblickte. Sein Freund hatte die Stirn gerunzelt, und Sam wurde bewusst, dass er seine letzten Gedanken laut ausgesprochen haben musste.
»Nichts. Sorry, ich rede nur mit mir selbst.«
Andres Augenbrauen wanderten nach oben, aber er sagte nichts weiter. Er setzte seine Kopfhörer wieder auf und startete das Video erneut. Sam seufzte erleichtert auf und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen eigenen Bildschirm.
Die Stunden verstrichen, während Andre und Sam schweigend zusammensaßen und die Aufnahmen der vergangenen Nacht sichteten. Die Arbeit war zäh, da sich das Bild vor ihm nie veränderte. Wären da nicht die Sekunden links unten am Rand der Aufnahme, hätte man es genauso gut für ein Foto halten können. Die vollkommene Stille in den Kopfhörern ließ ein unangenehmes Gefühl in seiner Magengegend entstehen.
»Seltsam, oder?«, fragte Andre und sprach damit Sams Gedanken aus.
Sam nickte. »Ja. Nicht mal eine Spinne irgendwo. Nichts. Das ist doch nicht normal.«
»Es gibt nur einen Ort, an dem ich so etwas schon einmal gesehen habe.«
Sam schluckte. »Ich will das nicht noch einmal erleben.«
Andres Blick verdunkelte sich und Sam trat sich gedanklich vors Schienbein. Als wäre das, was Andre durchmachte, nicht zehnmal schlimmer. Als wäre es nicht sowieso alles seine Schuld.
Andre schenkte ihm ein schmales Lächeln. »Hör auf damit.«
»Es tut mir leid«, platzte Sam hervor. »Ich wollte nicht... Ich hätte nichts sagen sollen.«
Andre schüttelte den Kopf und nahm seine Kopfhörer ab. Dann machte er sein Video aus und streckte sich, um Sams ebenfalls anzuhalten. Er drehte sich auf seinem Stuhl herum und zog Sams Kopfhörer herunter.
»Ich brauche dich nicht dafür, um mich daran zu erinnern«, sagte er sanft. »Ich denke jeden Tag an Amy. Jedes Mal, wenn ich schlafen gehe, sehe ich sie vor mir.«
»Es tut mir leid«, wiederholte Sam und wünschte, er könnte mehr tun, als sich zu entschuldigen. »Ich würde zurückgehen und die ganze verdammte Woche ändern, wenn ich könnte.«
»Ich weiß. Aber das kannst du nicht, genauso wenig wie ich.«
Er rüttelte kurz Sams Schulter und fixierte ihn mit einem intensiven Blick. »Du musst aufhören, dir selbst die Schuld zu geben, Sam. Was passiert ist, war nicht deine Schuld.«
Zu Sams Erschrecken spürte er, wie ihm die Tränen in die Augen schossen. Er blinzelte schnell einige Male und schaffte es, sie zurückzuhalten.
»War es nicht? Ich war das Medium. Das Tor hat sich nur wegen mir geöffnet.«
»Ja, du warst das Medium, aber du hattest keine Kontrolle darüber.« Andre nahm seine Hand von Sams Schulter und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Am Anfang wollte ich dir die Schuld geben. Aber es gab nichts, was du hättest tun können, um das alles zu verhindern. Es hat nur eine Weile gedauert, bis ich das verstanden habe. Und irgendwann wirst du es auch einsehen. Du bist viel zu sehr Wissenschaftler, um es nicht zu tun.«
Sein Verstand
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