Zweifel
gerunzelt. »Das ist wirklich eine gute Frage. Oleander House hatte eine Vergangenheit, die über hundert Jahre zurückreicht, wenn auch mit Unterbrechungen. Diese Schule hat nichts dergleichen oder zumindest scheint es so, als hätte sie das nicht. Die Schüler wüssten doch Bescheid, wenn es da irgendwas gäbe.«
»David und Dean haben nichts davon erwähnt, dass sie bei ihrer Recherche auf irgendwelche Geschichten gestoßen wären«, überlegte Sam, während er sich das Kinn rieb. »Wenn wir zurück im Büro sind, könnten wir noch mal direkt danach fragen.«
Cecile schwieg einen Moment lang. Auf ihrem Gesicht lag ein abwesender Ausdruck, als sie den SUV durch den Nachmittagsverkehr lenkte. »Ich frage mich einfach nur, was das alles bedeutet.«
Mittlerweile hatte sich in Sams Kopf eine Theorie geformt. Und es war eine ziemlich verstörende Theorie. Er wollte sie nicht laut aussprechen. Aber wenn er sie für sich behielt, würde sie dadurch trotzdem nicht weniger wahr werden.
»Ich vermute«, sagte er widerstrebend, »dass das Portal von jemandem kontrolliert wird.«
»Kontrolliert?« Mit weit aufgerissenen Augen starrte Cecile ihn an. »Von wem?«
Sam musste sich dazu zwingen, die Worte auszusprechen. »Von jemandem auf der anderen Seite.«
Die Art, wie Ceciles Hände sich um das Steuerrad verkrampften, sprach Bände. Ohne dass sie etwas sagen musste, wusste Sam, dass sie ihm innerlich recht gab.
Schweigend fuhren sie das kurze Stück zum Haus der nächsten Schülerin. Cecile lenkte den SUV vor ein zweistöckiges Backsteingebäude, parkte den Geländewagen dort und machte den Motor aus.
»Das ist die einzige andere Schülerin, deren Eltern uns erlauben wollen, mit ihr zu sprechen. Ihr Name ist Karen Redmond. Anscheinend war sie mit Patrick Callahan zusammen, dem ersten Jungen, der verschwunden ist.«
»Vielleicht hat sie etwas gesehen.« Sam öffnete die Tür und hüpfte aus dem Geländewagen. Seine Stirn war leicht gerunzelt, als er und Cecile auf die Eingangstür des Gebäudes zugingen. »Allerdings hoffe ich, dass dem nicht so ist.«
Die Traurigkeit in Ceciles Augen verriet Sam, dass sie ganz genau wusste, wovon er sprach. Er hasste den Gedanken an ein junges Mädchen im Teenager-Alter, das mit ansehen musste, wie ihr Freund von einer solch schrecklichen Kreatur weggezerrt wurde. Einer Kreatur, wie die Wesen, denen sie im Oleander House begegnet waren.
In dem schäbigen, kleinen Vorraum des Gebäudes fand Cecile die richtige Klingel und drückte sie. Einen Moment später hörten sie eine blechern verzerrte Männerstimme durch die Sprechanlage.
»Ja? Wer ist da?«
»Cecile Langlois und Sam Raintree von Bay City Paranormal Investigations”, entgegnete Cecile. »Wir haben heute morgen telefoniert und Sie sagten, wir könnten vorbeikommen und mit Karen sprechen.«
Ein kurzes Schweigen folgte. »Okay, kommen Sie rauf. Zweiter Stock, oben an der Treppe rechts. Wir wohnen in 23B.«
»Danke.« Cecile ließ den Knopf der Sprechanlage los und atmete tief durch. »Okay. Auf geht’s.«
Sie stapften die Treppe nach oben, fanden die richtige Wohnung und klopften an die Tür. Nur wenige Sekunden später wurde diese auch schon von einem großen, dünnen Mann mit ergrauendem Bart geöffnet. Der Mann streckte die Hand aus. »Ich bin Gene, Karens Vater. Freut mich, Sie beide kennen zu lernen. Kommen Sie doch rein.«
»Danke, dass Sie uns erlaubt haben, vorbeizukommen, Gene.« Cecile erwiderte das Lächeln ihres Gastgebers. »Unser Besuch ist sicher zeitlich unpassend, so kurz vor einem Feiertag.«
»Nicht wirklich. Seit Karens Mutter letztes Jahr gestorben ist, sind nur noch wir beide hier. Es ist nicht so, als ob Sie irgendwelche Feiertagspläne durchkreuzen würden.« Genes Lächeln verschwand und stattdessen zeigte sich Sorge auf seinem Gesicht. »Es war nicht einfach für Karen. Erst verliert sie die Mutter, dann wird auch noch ihr Freund vermisst. Ich hoffe, sie finden ihn. Er ist ein guter Junge.«
Sam wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Unbeholfen schob er die Hände in seine Jackentaschen und wünschte, er würde sich nicht so unbehaglich fühlen, wenn er mit dem Gefühlsleben anderer Menschen konfrontiert wurde.
Zu seiner Erleichterung übernahm Cecile die Gesprächsführung. »Gene, ist Karen bereit mit uns zu sprechen?«
»Sicher.« Gene nickte. »Setzen Sie sich, ich hole sie.«
Sam ließ sich neben Cecile auf das ausgebleichte, geblümte Sofa nieder. Als er aus dem Fenster hinter
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