Zweifel
weil ich besondere Kräfte habe. Er sagt, dass ich ihre bösen Gedanken hören kann, auch wenn ich ihn immer wieder daran erinnere, dass meine Gabe nicht so funktioniert. Ich kann keine Gedanken lesen.«
»Ich denke, du bist einfach nur gut darin, das wahre Wesen der Menschen zu erkennen«, lachte Andre. »David hat Janine immer gehasst, seit dem Tag ihres ersten Kennenlernens.«
»Warum?«, fragte Cecile. »Ich kann nicht sagen, dass sie mir sympathisch war, als ich sie getroffen habe, aber es war doch nur ein Gefühl. Es gibt nichts, womit ich es untermauern könnte. Ich frage mich, was sie getan hat, dass David sie so sehr ablehnt.«
Sam fragte sich genau das Gleiche. Er ging davon aus, dass seine eigene Meinung über Janine hoffnungslos von seiner Beziehung zu Bo beeinflusst wurde. Darum wäre es überaus interessant, eine objektivere Meinung zu dem Thema zu hören.
Andre schwieg eine ganze Weile. Neugierig drehte sich Sam mitsamt dem Bürostuhl herum, um seinem Freund direkt in das nachdenklich wirkende Gesicht sehen zu können.
»Andre?«, fragte Sam vorsichtig. »Was ist los?«
Andre warf einen Blick auf Bos geschlossene Bürotür, dann rollte er mit seinem Stuhl näher zu den anderen. »Ich sollte euch das eigentlich nicht erzählen, deshalb behaltet es bitte für euch, okay?«
»Sicher.« Gespannt lehnte sich Sam nach vorne, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt. »Worum geht‘s?«
Cecile zog die Stirn in Falten. »Ich weiß nicht, Andre. Geht es um etwas, das David dir im Vertrauen erzählt hat? Wenn das nämlich der Fall wäre, solltest du es uns nicht weitersagen.«
»Er hat nie gesagt, dass ich es niemandem erzählen darf. Er sagte nur, dass Bo es nicht wissen darf.«
Andre senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Er sagte, dass Janine ihm, als er sie zum ersten Mal getroffen hat, Avancen gemacht hätte. Und wie es schien, war sie ziemlich sauer, als er sie hat abblitzen lassen und sie ein Miststück genannt hat, weil sie Bo betrügen wollte. Und das auch noch mit einem von Bos besten Freunden.«
Wie gelähmt starrte Sam Andre an. »Ist das tatsächlich die Wahrheit?«
Andre nickte. »Er sagt, sie benahm sich, als wäre es keine große Sache. Als würde sie so was andauernd machen.«
»Und er hat es Bo nicht erzählt?« Missbilligung zeigte sich auf Ceciles Gesicht. »Ich finde, er hätte das tun sollen.«
»Wir haben eine ganze Weile darüber diskutiert, ohne zu einem Ergebnis zu kommen«, gab Andre zu und warf einen weiteren Blick auf Bos Bürotür. »Aber letztlich war alles, was er gegen sie verwenden konnte, die Tatsache, dass sie ihn ein einziges Mal angemacht hatte. Sie hat es natürlich nie wieder getan und obwohl wir beide seitdem die Augen offen gehalten haben, hat keiner von uns sie noch mal bei irgendwas erwischt. Was hätten wir Bo also sagen sollen? Er hätte schließlich nicht aufgrund eines einzigen Zwischenfalls seine Ehe beendet.«
»Jetzt tut er es jedenfalls«, stellte Cecile fest. »Ich frage mich, ob es etwas damit zu tun hat. Vielleicht hat er Janine bei irgendwas erwischt.«
Sam schwieg und setzte einen neutralen Gesichtsausdruck auf. So gern er Janine und ihrer Untreue die ganze Schuld an der Sache geben würde, in Wirklichkeit wusste er es besser. Außerdem hätte Bo es ihm doch erzählt, falls er Janine in einer verdächtigen Situation erwischt hätte.
Allerdings entging Sam nicht, dass es für Bo vielleicht von Vorteil sein könnte, wenn er von Janines Betrugsversuch erfuhr. Er machte sich eine geistige Notiz und schob den Gedanken dann erst einmal beiseite.
»Ich weiß es nicht«, sagte Andre. »Vielleicht. Was immer seine Gründe dafür sein mögen, in meinen Augen ist es die richtige Entscheidung.«
»Ich finde, du hast recht.« Die Worte hatten sich ihren Weg aus Sams Mund gebahnt, bevor er Zeit hatte, darüber nachzudenken, was er hier eigentlich tat. ‚ Verdammt‘ , dachte er und bekämpfte die in ihm aufsteigende Panik. Er hatte es so satt, jedes einzelne Wort auf die Goldwaage legen zu müssen. »Ich meine, ich kenne sie ja nicht wirklich, aber ich habe dasselbe Gefühl wie du, Cecile. Dass sie ihm nicht gut tut.«
»Und du möchtest, dass es ihm gut geht?« Ceciles Stimme war sehr leise. Wäre da nicht ihr prüfender Blick gewesen, wäre Sam davon ausgegangen, dass sie mit sich selbst sprach.
Er wich ihrem Blick nicht aus. »Das wollen wir doch alle, oder?«
Ceciles Lächeln war wissend und auch ein wenig traurig. »Ja, ich schätze, das tun
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