Zweimal ist einmal zuviel
noch viel weniger glaube ich, daß du dir nur deshalb so viel Mühe mit Kenny machst, weil er zur Familie gehört.«
»Kannst du dein Mißtrauen irgendwie begründen?«
»Das sagt mir mein Bauch.«
Morelli lächelte. »Das ist aber noch lange kein Beweis.«
Okay. Strategiewechsel. »Ich dachte, wir wären ein Team.«
»Es gibt verschiedene Arten von Teams. Manche arbeiten unabhängig voneinander.«
Ich sah ihn ungläubig an. »Nur damit ich dich richtig verstehe«, sagte ich. »Das Ganze läuft also darauf hinaus, daß ich sämtliche Informationen an dich weitergebe, während du alles Wissenswerte für dich behältst. Wenn wir Kenny dann gefunden haben, schnappst du ihn mir aus unerfindlichen Gründen vor der Nase weg und bringst mich damit um mein Kopfgeld.«
»Nein, das verstehst du falsch. Ich würde dich nie um deine Prämie bringen.«
Das konnte er seiner Großmutter erzählen. Genau darauf lief's hinaus, und das wußten wir beide ganz genau.
3
Morelli und ich hatten uns schon früher bekriegt, ohne daß eine der beiden Seiten für längere Zeit die Oberhand gewinnen konnte. Nun schien uns eine weitere Schlacht bevorzustehen. Trotzdem würde ich mich irgendwie mit ihm arrangieren müssen. Denn wenn ich mich mit Morelli anlegte, konnte er mir das Leben als Kopfgeldjägerin zur Hölle machen.
Deshalb wollte ich aber noch lange nicht als Morellis Fußabtreter Karriere machen. Ich mußte nur im strategisch richtigen Moment dafür sorgen, daß es so aussah, als könne er auf mir herumtrampeln. Da aber dieser Augenblick noch nicht gekommen war, spielte ich die Empörte. Das fiel mir nicht sonderlich schwer, denn ich war empört. Ich fuhr so zielstrebig vom Parkplatz, als wüßte ich genau, wo ich hin wollte. In Wirklichkeit hatte ich kein konkretes Ziel vor Augen. Es war fast vier Uhr, und da mir die Ideen im Fall Mancuso gründlich ausgegangen waren, fuhr ich nach Haus, um alles noch einmal Revue passieren zu lassen.
Eigentlich mußte ich zu Spiro, aber der Gedanke war mir nicht gerade angenehm. Ich teilte Grandmas Begeisterung für Bestattungsinstitute nicht. Mir war der Tod im Grunde ein bißchen unheimlich, und Spiro fand ich geradezu gruselig.
Ich beschloß, nichts zu überstürzen.
Ich stellte den Wagen hinter dem Haus ab und ließ den Aufzug in der Hoffnung links liegen, das Treppensteigen würde die Blaubeerpfannkuchen vom Frühstück wettmachen und das Spannen meines Hosenbunds endlich beseitigen. Als ich die Wohnungstür öffnete, wäre ich beinahe auf den schlichten weißen Briefumschlag getreten, auf dem mein Name in silbernen Klebebuchstaben prangte. Ich riß ihn auf und las die ebenfalls aufgeklebte und aus zwei Sätzen bestehende Nachricht: »Machen Sie Urlaub. Das ist besser für Ihre Gesundheit.«
Da keine Reiseprospekte beigelegt waren, konnte ich davon ausgehen, daß es sich nicht um eine ausgefallene Werbekampagne der Tourismusbranche handelte.
Es blieb nur noch eine Möglichkeit. Ein Drohbrief. Falls er von Kenny stammte, mußte er sich noch immer in Trenton aufhalten. Und was noch besser war, ich hatte etwas getan, was ihn beunruhigte. Außer Kenny fiel mir niemand ein, der mich bedrohen könnte. Höchstens Kennys Freunde. Und vielleicht auch noch Morelli. Oder gar meine Mutter?
Ich begrüßte Rex, warf meine Handtasche und den Briefumschlag auf den Küchentisch und hörte den Anrufbeantworter ab.
Meine Cousine Kitty, die in einer Bank arbeitete, hatte angerufen, um mir auszurichten, daß sie wie versprochen Mancusos Konto überwachte. Allerdings hatte es noch keine Buchungen gegeben.
Meine allerbeste Freundin Mary Lou Molnar, die inzwischen Mary Lou Stankovic hieß, wollte wissen, ob ich noch lebte, weil ich mich seit Ewigkeiten nicht mehr bei ihr gemeldet hatte.
Die letzte Nachricht kam von Grandma Mazur.
»Ich kann diese blöden Maschinen nicht leiden«, sagte sie. »Es kommt mir bescheuert vor, einfach so ins Nichts zu quasseln. Ich habe in der Zeitung gelesen, daß heute abend die öffentliche Aufbahrung des toten Tankwarts stattfindet, und bräuchte jemand, der mich hinbringt. Elsie Farnsworth wollte mich mitnehmen, aber ich fahre nicht gerne mit ihr. Sie hat Arthritis im Knie, und manchmal kriegt sie den Fuß nicht mehr vom Gaspedal.«
Moogey Bues' öffentliche Aufbahrung klang vielversprechend. Ich lief rasch über den Flur zu Mr. Wolesky, um mir die Zeitung auszuleihen. Da bei ihm Tag und Nacht der Fernseher lief, mußte man regelrecht gegen die Tür hämmern. Wenn
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