Zweimal ist einmal zuviel
er endlich aufmachte, sagte er immer, man solle ihm nicht die Tür eintreten. Als er vor vier Jahren einen Herzanfall erlitt, hatte er zwar einen Krankenwagen gerufen, sich dann aber geweigert, die Wohnung zu verlassen, bevor »Jeopardy!« zu Ende war.
Mr. Wolesky öffnete. »Sie müssen nicht gleich die Tür eintreten. Ich bin ja nicht taub.«
»Ich wollte nur fragen, ob ich mir vielleicht die Zeitung leihen könnte.«
»Wenn ich sie wieder zurückbekomme. Ich brauche das Fernsehprogramm.«
»Ich möchte nur kurz etwas nachschlagen.« Ich überflog die Seite mit den Todesanzeigen. Moogey Bues lag bei Stiva. Neunzehn Uhr.
Ich bedankte mich bei Mr. Wolesky und gab ihm die Zeitung zurück. Dann rief ich Grandma an und sagte ihr, daß ich sie um sieben abholen würde. Die Einladung meiner Mutter zum Abendessen schlug ich aus und versprach ihr, nicht in Jeans ins Bestattungsinstitut zu gehen. Als Teil der Schadensbegrenzung in Sachen Pfannkuchen durchsuchte ich meinen Kühlschrank nach kalorienarmen Speisen.
Als das Telefon klingelte, verspeiste ich gerade einen Salat.
»Yo«, meldete sich Ranger. »Jede Wette, du ißt Salat zum Abendbrot.«
Ich streckte ihm die Zunge raus. »Hast du etwas über Mancuso in Erfahrung bringen können?«
»Mancuso? Nie gehört, kenne ich nicht. Was anderes habe ich nicht zu Ohren gekriegt.«
»Aus rein morbidem Interesse, wo würdest du anfangen, nach vierundzwanzig verschwundenen Särgen zu suchen?«
»Sind die Särge leer oder voll?«
Scheiße, das hatte ich ganz vergessen zu fragen. Ich kniff die Augen zusammen. Ich konnte nur beten, daß sie leer waren.
Ich legte auf und wählte Eddie Gazarras Nummer.
»Schieß los«, sagte er.
»Ich will wissen, woran Morelli im Augenblick arbeitet.«
»Du bist lustig. Die meiste Zeit weiß noch nicht einmal Morellis Vorgesetzter, woran er gerade arbeitet.«
»Ja, aber du kriegst doch eine Menge mit.«
Gazarra seufzte ergeben. »Na gut, ich will mal sehen, was sich machen läßt.«
Morelli war in einem Dezernat am anderen Ende der Stadt tätig. Seine Abteilung arbeitete oft mit den Zollbehörden und der Drogenfahndung zusammen, über konkrete Fälle drang nie viel nach außen. Aber wozu gab es schließlich Kneipentratsch, Sekretärinnenklatsch und Bettgeflüster?
Ich zog die Jeans aus und quetschte mich in ein Kostümchen. Hochhackige Schuhe, Gel, Haarspray und etwas Wimperntusche vervollständigten das Bild. Ich trat einen Schritt zurück und betrachtete mich im Spiegel. Nicht schlecht, trotzdem würde sich Sharon Stone wohl kaum vor Neid von der nächsten Brücke stürzen.
»Jetzt sieh dir diesen Rock an«, sagte meine Mutter, als sie mir die Tür öffnete. »Kein Wunder, daß die Kriminalitätsrate steigt, bei so kurzen Röcken. Wie soll man denn darin sitzen? Da sieht man doch alles.«
»Der Saum ist fünf Zentimeter über dem Knie, das ist nicht
so
kurz.«
»Ich habe keine Zeit, hier den ganzen Tag rumzustehen und über Rocklängen zu diskutieren«, sagte Grandma Mazur. »Ich muß zum Bestattungsinstitut und mir ansehen, wie sie den Kerl hingekriegt haben. Ich hoffe, die Einschußlöcher sind nicht völlig überschminkt.«
»Freu dich lieber nicht zu früh«, sagte ich zu ihr. »Ich glaube nicht, daß es einen offenen Sarg geben wird.« Moogey war nicht nur erschossen, sondern auch noch seziert worden. Da hätte es schon eines sehr tapferen Schneiderleins bedurft, um ihn wieder zusammenzuflicken.
»Kein offener Sarg! Das wäre wirklich jammerschade. Wenn sich herumspricht, daß es bei Stiva keine offenen Särge mehr gibt, werden die Leute wegbleiben.« Sie knöpfte die Strickjacke über ihrem Kleid zu und klemmte sich die Handtasche unter den Arm. »In der Zeitung stand jedenfalls nichts über einen geschlossenen Sarg.«
»Komm doch hinterher noch vorbei«, sagte meine Mutter. »Ich habe Schokoladenpudding gekocht.«
»Willst du wirklich nicht mitfahren?« fragte Grandma Mazur.
»Ich kannte Moogey Bues nicht«, erwiderte sie. »Ich habe etwas Besseres zu tun, als zu der Aufbahrung eines wildfremden Menschen zu gehen.«
»Normalerweise würde ich ja auch nicht hingehen, aber ich helfe Stephanie bei ihren Ermittlungen. Vielleicht kreuzt Kenny Mancuso auf, dann kann sie jede Unterstützung gebrauchen. Im Fernsehen haben sie gezeigt, wie man jemanden außer Gefecht setzt, indem man ihm die Finger in die Augen rammt.«
»Du übernimmst die Verantwortung«, sagte meine Mutter zu mir. »Wenn sie jemandem mit dem Finger ins
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