Zweimal ist einmal zuviel
nötig. Spiro wollte den Zwischenfall offensichtlich herunterspielen. Er fand ein paar tröstliche Worte für die umstehenden Trauergäste und machte sich daran, Grandmas Fingerabdrücke von dem glänzenden Holz zu wischen.
»Als der Deckel oben war, konnte ich erkennen, was für gute Arbeit Sie geleistet haben«, sagte Grandma, die weiterhin um den Sarg ging. »Von den Einschußlöchern war fast nichts zu sehen, bis auf die Stelle, wo der Kitt etwas eingesunken war.«
Spiro nickte feierlich, legte ihr sachte die Hand auf den Rücken und schob sie unauffällig weiter. »In der Eingangshalle wird Tee serviert«, sagte er. »Vielleicht wünschen Sie nach Ihrem Mißgeschick eine kleine Stärkung.«
»Eine Tasse Tee wäre nicht zu verachten«, sagte Grandma. »Ich bin hier ohnehin so gut wie fertig.«
Ich begleitete Grandma hinaus und überzeugte mich, daß sie auch tatsächlich Tee trinken ging. Nachdem sie es sich mit ihrer Tasse und einigen Plätzchen gemütlich gemacht hatte, begab ich mich auf die Suche nach Spiro. Er stand draußen vor dem Nebeneingang. Im künstlichen Licht rauchte er heimlich eine Zigarette.
Es war kalt geworden, aber Spiro schien es nicht zu bemerken. Er sog den Rauch tief ein und blies ihn sehr langsam aus. Wahrscheinlich ging es ihm darum, soviel Teer wie irgendmöglich in seinen Körper zu pumpen, um sein armseliges Leben zu verkürzen.
Ich klopfte leise an die Glastür. »Möchten Sie jetzt über Ihr… na, Sie wissen schon, über Ihr Problem sprechen?«
Er nickte, zog noch einmal an der Zigarette und schnipste sie in die Einfahrt. »Ich hätte schon heute mittag angerufen, aber ich dachte mir, daß Sie zu der Aufbahrung von Bues erscheinen würden. Die Objekte müssen so schnell wie möglich gefunden werden.« Er vergewisserte sich kurz, daß wir allein waren.
»Särge sind Produkte wie alle anderen auch. Die Hersteller produzieren Überschuß und Ausschußware. Es gibt sogar Sonderverkäufe. Manchmal kann man auch einen Mengenrabatt ergattern. Vor etwa sechs Monaten ist mir das gelungen. Ich habe ein Angebot gemacht und vierundzwanzig Särge erstanden. Da wir hier nicht viel Lagerfläche haben, wurden die Särge beim Spediteur untergestellt.«
Spiro zog einen Briefumschlag aus der Jackentasche und holte einen Schlüssel heraus. »Das ist der Schlüssel für den angemieteten Lagerraum. Die Adresse steht auf dem Umschlag. Zum Schutz waren die Särge mit Plastik umwickelt und für den Transport in stapelbare Kisten verpackt. Ich habe Ihnen auch ein Foto beigelegt. Sie sehen alle gleich aus. Sehr schlicht.«
»Haben Sie die Polizei eingeschaltet?«
»Ich habe den Diebstahl überhaupt nicht gemeldet. Mir wäre es lieb, wenn ich die Särge zurückbekommen könnte, ohne Aufsehen zu erregen.«
»Die Sache ist mir eine Nummer zu groß.«
»Eintausend Dollar.«
»Meine Güte, es geht um Särge! Wer klaut schon Särge? Und wo soll ich überhaupt suchen? Haben Sie irgendwelche Hinweise?«
»Ich habe einen Schlüssel und eine ausgeräumte Lagerhalle.«
»An Ihrer Stelle würde ich mir das Geld sparen und den Diebstahl einfach der Versicherung melden.«
»Die Versicherung ersetzt mir den Schaden nicht, ohne daß ich Anzeige erstatte, und ich möchte die Polizei da raushalten.«
Die tausend Dollar waren verlockend, aber der Auftrag klang absolut merkwürdig. Ich hatte wirklich keinen Schimmer, wo Ich nach vierundzwanzig Särgen suchen sollte. »Mal angenommen, ich finde sie, was mache ich dann? Wer verrückt genug ist, Särge zu klauen, der wird auch um sie kämpfen.«
»Eins nach dem anderen«, sagte Spiro. »Für Ihren Finderlohn müssen Sie die Särge nicht zurückbringen. Darum kümmere ich mich.«
»Ich könnte mich ja mal ein bißchen umhören.«
»Die Sache muß aber unter uns bleiben.«
Als ob ich scharf darauf wäre, herumzuerzählen, daß ich nach Särgen suchte. »Ich schweige wie ein Grab.« Ich steckte den Umschlag in meine Tasche. »Noch eine Frage. Nur damit wir uns richtig verstehen, die Särge sind doch leer?«
»Sind sie.«
Auf der Suche nach Grandma kam mir der Gedanke, daß die Sache vielleicht doch nicht so aussichtslos war, wie ich im ersten Augenblick angenommen hatte. Spiro waren zwei Dutzend Särge abhanden gekommen. Die waren nicht so leicht zu verstecken.
Man konnte sie schließlich nicht einfach in den Kofferraum packen. Da mußte man schon mit einem Lieferwagen oder Laster anrücken. Vielleicht war es gar kein Außenstehender gewesen. Hatte ein
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