Zweimal ist einmal zuviel
Weiß seine Frau etwas davon?«
Joyce kippte ihre Trockenhaube wieder nach vorn. »Sie soll schon die Scheidung eingereicht haben.«
Alle Frauen vertieften sich wieder in ihre Illustrierten, weil es ihnen bei dem Thema allmählich mulmig wurde mit Joyce und mir in einem Raum. Schließlich wußte das ganze Viertel, wer mit wem auf meinem Eßtisch erwischt worden war, und niemand wollte das Risiko eingehen, mit Lockenwicklern auf dem Kopf in eine Schießerei zu geraten.
»Und was ist mit Ihnen?« fragte ich Clara, die hingebungsvoll an meinen Fingernägeln feilte. »Haben Sie vielleicht etwas von Kenny gesehen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Schon lange nicht mehr.«
»Jemand will beobachtet haben, daß er heute morgen bei Stiva rumgeschlichen ist.«
Clara riß den Kopf hoch. »Heilige Mutter Gottes. Ich war heute morgen selbst bei Stiva.«
»Haben Sie etwas Verdächtiges gesehen oder gehört?«
»Nein. Da muß ich wohl schon wieder weg gewesen sein. Aber eigentlich wundert es mich gar nicht. Kenny und Spiro waren schon immer dicke Freunde.«
Betty Kuchta streckte ihren Kopf unter der Trockenhaube hervor. »Er ist nicht ganz richtig im Oberstübchen.« Sie tippte sich an die Stirn. »Er war mit meiner Gail in einer Klasse. Die Lehrer in der Schule hatten Angst, ihm den Rücken zuzudrehen.«
Mrs. Rizzoli nickte. »Ein verdorbenes Früchtchen. Ein ganz brutaler Kerl, genau wie sein Onkel Guido.«
»Nehmen Sie sich bloß in acht vor ihm«, sagte Mrs. Kuchta zu mir. »Ist Ihnen schon mal sein kleiner Finger aufgefallen? Als Zehnjähriger hat Kenny sich mit dem Beil seines Vaters die Fingerkuppe abgeschlagen. Er wollte ausprobieren, ob es weh tut.«
»Die Geschichte mit dem Finger hat mir Adele Baggionne auch erzählt«, sagte Mrs. Rizzoli. »Sie hat aus dem Fenster gesehen und sich gewundert, was Kenny wohl im Garten mit der Axt vorhatte. Da hat er auch schon die Hand auf den Holzklotz gelegt und sich ein Stück vom Finger abgehackt. Er hat nicht geweint. Er hat bloß gelächelt und sich die Wunde angesehen. Adele sagt, er wäre verblutet, wenn sie keinen Rettungswagen gerufen hätte.«
Es war kurz vor fünf, als ich den Salon Clara verließ. Je mehr ich über Kenny und Spiro erfuhr, desto mehr grauste es mir vor ihnen. Anfangs hatte ich Kenny nur für einen Klugscheißer gehalten, doch nun entpuppte er sich immer mehr als ein gefährlicher Irrer. Und Spiro machte auch keinen wesentlich sympathischeren Eindruck.
Auf der Heimfahrt wurde meine Stimmung von Minute zu Minute düsterer. Mir war so mulmig zumute, daß ich mich mit dem Tränengas bewaffnete, bevor ich die Wohnungstür aufschloß. Nachdem ich Licht gemacht hatte, mußte ich mich zuerst gründlich überzeugen, daß alles in Ordnung war, bevor ich mich wieder etwas beruhigte. Es war eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter.
Eine Nachricht von meiner Freundin Mary Lou. »Was ist los? Hast du eine Affäre mit Kevin Costner, oder warum meldest du dich überhaupt nicht mehr?«
Ich zog mir schnell die Jacke aus, dann rief ich sie an. »Ich war in der letzten Zeit ganz schön im Streß«, sagte ich. »Aber nicht wegen Kevin Costner.«
»Weswegen denn dann?« fragte sie.
»Unter anderem wegen Joe Morelli.«
»Ich werd verrückt.«
»Nicht so, wie du denkst. Ich suche seit Tagen nach Kenny Mancuso, aber ich komme einfach nicht weiter.«
»Du hörst dich deprimiert an. Geh, und laß dir die Nägel machen.«
»Habe ich schon probiert, aber es nützt nichts.«
»Dann hilft nur noch eines.«
»Einkaufen?«
»Erraten«, sagte Mary Lou. »Wir treffen uns um sieben im Einkaufszentrum. In der Schuhabteilung bei Macy's.«
Mary Lou war bereits von Schuhen umringt, als ich eintraf.
»Wie findest du die?« In hochhackigen schwarzen Stiefeletten drehte sie eine Pirouette vor mir.
Mary Lou war ein kleines Kraftpaket, knapp einen Meter sechzig groß und stabil gebaut. Sie hatte eine Löwenmähne, die in dieser Woche rot gefärbt war, stand auf große Kreolen-Ohrringe und feucht geschminkte Lippen. Sie war seit sechs Jahren glücklich verheiratet und hatte zwei Kinder. Obwohl ich ihre Sprößlinge gut leiden konnte, war ich mit meinem Hamster vollauf zufrieden. Hamsterbesitzer brauchen keinen Windeleimer.
»Die kommen mir irgendwie bekannt vor«, antwortete ich. »Trägt so etwas nicht die böse Hexe im Märchen?«
»Gefallen sie dir nicht?«
»Sollen sie für einen besonderen Anlaß sein?«
»Für Silvester.«
»Sag bloß, du willst ohne Pailletten
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