Zweimal ist einmal zuviel
schneiden, aber ab und zu schaute ich immer noch bei Clara vorbei, um mir die Nägel maniküren zu lassen.
Der Salon war in einem umgebauten Einfamilienhaus untergebracht. Die Zwischenwände waren entfernt worden, so daß ein einziger großer Raum mit abgetrennter Toilette entstanden war. Vorn gab es einen Wartebereich mit Stahlrohrstühlen, wo man sich die Zeit mit zerfledderten Illustrierten vertrieb oder sich in Fachzeitschriften Frisuren ansah, die kein Mensch kopieren konnte. Dann folgten die Waschbecken, den Frisierstühlen genau gegenüber. Unmittelbar vor der Toilette lag der kleine Manikürebereich. An den Wänden hingen Poster, auf denen noch mehr exotische, utopische Frisuren abgebildet waren.
Als ich hereinkam, drehten sich die Köpfe unter den Trockenhauben wie auf Kommando in meine Richtung.
Unter der dritten Haube von hinten saß meine Erzfeindin, Joyce Barnhardt. Im zweiten Schuljahr hatte Joyce Barnhardt mir einen Becher Wasser auf den Stuhl geschüttet und behauptet, ich hätte in die Hose gemacht. Zwanzig Jahre später hatte ich sie in flagranti auf meinem Eßtisch erwischt, rittlings auf meinem Ehemann hockend.
»Tag, Joyce«, sagte ich. »Lange nicht gesehen.«
»Hallo, Stephanie. Wie geht es dir?«
»Gut.«
»Es heißt, du hättest deinen Job als Schlüpferverkäuferin verloren.«
»Ich habe keine Schlüpfer verkauft.« So eine miese Ratte. »Ich war Dessouseinkäuferin bei E. E. Martin, bis die Firma von Baldicott übernommen wurde.«
»Du standest mit deiner Unterwäsche ja schon immer auf Kriegsfuß. Weißt du noch, wie du dir im zweiten Schuljahr in die Hose gepinkelt hast?«
Hätte ich eine Blutdruckmanschette getragen, wäre sie mir vom Arm geplatzt. Ich klappte die Trockenhaube nach hinten und rückte Joyce so dicht auf den Leib, daß sich unsere Nasen fast berührten. »Weißt du, was ich inzwischen beruflich mache, Joyce? Ich bin Kopfgeldjägerin, und ich bin bewaffnet, also reiz mich lieber nicht.«
»In New Jersey ist doch jedes Kleinkind bewaffnet«, sagte Joyce. Sie griff in ihre Handtasche und holte eine 9 mm Beretta heraus.
Peinlich, peinlich. Erstens hatte ich meine Waffe überhaupt nicht dabei, und zweitens war sie mickriger als die von Joyce.
Nun meldete sich Bertie Greenstein zu Wort, die neben Joyce unter der Haube saß. »Ich stehe mehr auf Fünfundvierziger«, sagte sie und kramte einen Colt aus ihrer Einkaufstasche.
»Bei denen ist mir der Rückstoß zu stark«, rief Betty Kuchta von der anderen Seite des Raums herüber. »Und sie nehmen in der Tasche zuviel Platz weg. Ein Achtunddreißiger ist besser.«
»Stimmt«, sagte Clara. »Früher hatte ich auch einen Fünfundvierziger, aber der war so schwer, daß ich von dem ständigen Herumschleppen eine Schleimbeutelentzündung gekriegt habe. Deshalb hat mir der Arzt geraten, auf eine leichtere Knarre umzusteigen. Außerdem nehme ich meistens noch Tränengas mit.«
Bis auf die alte Mrs. Rizzoli, die gerade eine Dauerwelle bekam, waren alle Frauen zur Verteidigung mit Tränengas ausgerüstet.
Betty Kuchta schwenkte einen Elektroschocker. »Diese Dinger sind auch nicht von Pappe.«
»Kinderspielzeug«, sagte Joyce und zückte einen Taser.
Den Taser konnte keine mehr überbieten.
»Na, was darf's denn sein?« fragte mich Clara. »Eine Maniküre? Übrigens haben wir gerade einen neuen Nagellack reinbekommen. Mango-Magie heißt er.«
Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, mir die Nägel lackieren zu lassen, aber Mango-Magie klang einfach unwiderstehlich. »Das hört sich ausgesprochen appetitlich an«, sagte ich. Ich hängte Jacke und Tasche über einen Stuhl, setzte mich an das Maniküretischchen und tauchte die Finger in die Einweichschale.
»Und? Hinter wem sind Sie diesmal her?« wollte Mrs. Rizzoli wissen. »Man munkelt, Sie hätten es auf Kenny Mancuso abgesehen.«
»Wissen Sie vielleicht, wo er ist?«
»Ich nicht«, sagte Mrs. Rizzoli. »Aber Kathryn Freeman hat ihn angeblich um zwei Uhr morgens bei der kleinen Zaremba aus dem Haus kommen sehen.«
»Das war nicht Kenny Mancuso«, sagte Clara. »Das war Mooch Morelli. Ich weiß es von Kathryn persönlich. Sie wohnt nämlich bei mir gegenüber. Sie mußte um die Zeit noch einmal mit ihrem Hund raus. Der hatte Durchfall, weil er Hühnerknochen gefressen hatte. Ich habe ihr schon so oft gesagt, daß sie dem Hund keine Hühnerknochen geben soll, aber die Frau hört einfach nicht auf mich.«
»Mooch Morelli!« sagte Mrs. Rizzoli. »Nicht zu fassen.
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