Zweimal ist einmal zuviel
meine Zehen hatten sich regelrecht ineinander verkrampft. Ich gab ein schmatzendes Geräusch von mir. »Wenn sich deine Finger noch einen Millimeter höher bewegen, zeige ich dich wegen sexueller Belästigung an.«
Morelli fuhr sich erleichtert mit der Hand über die Augen. »Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt.«
»Was machen Sie da unten?« rief jemand laut aus einem Fenster. »Was ist das für ein Radau? Ich rufe die Polizei. Das ist ruhestörender Lärm. Das lasse ich mir nicht gefallen.«
Ich stützte mich auf die Ellenbogen. »Bring mich hier weg.«
Morelli half mir vorsichtig hoch. »Ist dir auch wirklich nichts passiert?«
»Es scheint auf jeden Fall nichts gebrochen zu sein.« Ich rümpfte die Nase. »Was riecht denn da so komisch? O mein Gott, ich habe mir doch hoffentlich nicht in die Hose gemacht?«
Morelli drehte mich um. »Hoppla«, sagte er. »In diesem Haus hat jemand einen großen Hund. Einen großen, kranken Hund. Einen großen, kranken Hund mit Durchfall.«
Ich schlüpfte aus meiner Jacke und hielt sie auf Armeslänge von mir. »War das alles?«
»Hinten auf der Jeans ist auch noch was.«
»Und sonst?«
»In den Haaren.«
Ich bekam einen hysterischen Anfall. »Mach es weg! Mach es weg! Mach es weg!«
Morelli hielt mir den Mund zu. »Leise!«
»Mach es mir aus den Haaren!«
»Das geht nicht. Du wirst es schon rauswaschen müssen.« Er nahm meine Hand. »Kannst du gehen?«
Ich war noch recht wackelig auf den Beinen.
»Gut so«, sagte Morelli. »Weiter so. Gleich bist du beim Wagen. Und dann stecken wir dich unter die Dusche. Und wenn wir dich ein, zwei Stunden geschrubbt haben, bist du wieder so gut wie neu.«
»So gut wie neu.« Es klingelte in meinen Ohren, und meine Stimme klang weit weg. »So gut wie neu«, wiederholte ich.
Als wir zum Wagen kamen, machte Morelli mir die Hecktür auf. »Es macht dir doch nichts aus, hinten einzusteigen?«
Ich starrte ihn verständnislos an.
Morelli leuchtete mir mit der Taschenlampe in die Augen. »Hast du dir auch wirklich nichts getan?«
»Was meinst du, was für ein Hund es war?«
»Ein großer Hund.«
»Was für eine Rasse?«
»Rottweiler. Ein Männchen, alt und verfettet. Schlechte Zähne. Hat jede Menge Thunfisch gegessen.«
Ich fing an zu weinen.
»O nein«, sagte Morelli. »Nicht weinen. Ich kann das nicht sehen.«
»Ich habe Rottweilerscheiße in den Haaren.«
Er wischte mir mit dem Daumen die Tränen ab. »Es wird schon wieder, Spatz. Es ist gar nicht so schlimm. Das mit dem Thunfisch war nur ein Witz.« Er half mir in den Wagen. »Halte dich gut fest. Bevor du dich versiehst, habe ich dich nach Hause verfrachtet.«
Er brachte mich in meine Wohnung.
»Das ist wohl die beste Lösung«, sagte er. »Du willst doch bestimmt nicht, daß deine Mutter dich so sieht.« Er nahm den Schlüssel aus meiner Handtasche und schloß auf.
Die Wohnung fühlte sich kalt und verlassen an. Es war zu still. Kein Rex, der in seinem Laufrad herumsauste. Kein Licht, das mich willkommen hieß.
Linkerhand lockte die Küche. »Ich brauche ein Bier«, sagte ich. Ich hatte es nicht mehr so eilig, unter die Dusche zu kommen. Meinen Geruchssinn hatte ich verloren, mit dem Zustand meiner Haare hatte ich mich abgefunden.
Ich schlurfte in die Küche und machte die Kühlschranktür auf. Das Licht ging an, und ich starrte in sprachlosem Entsetzen auf einen Fuß… einen großen, dreckigen, blutigen, knapp oberhalb des Knöchels abgetrennten Fuß, der neben einem Töpfchen Margarine und einer noch gut halbvollen Flasche Preiselbeercocktail stand.
»Da liegt ein Fuß im Kühlschrank«, sagte ich zu Morelli. Glocken läuteten, Blitze zuckten, mein Mund wurde taub, und ich fiel um, wie von einer Axt gefällt.
Ich kämpfte mich aus der Bewußtlosigkeit ans Licht. »Mom?«
»Nicht ganz«, sagte Morelli.
»Was ist passiert?«
»Du bist ohnmächtig geworden.«
»Es war einfach zuviel. Die Hundescheiße, der Fuß…«
»Ich verstehe schon.«
Mit zittrigen Beinen stand ich auf.
»Ich schlage vor, du gehst jetzt unter die Dusche, während ich mich um alles kümmere«, sagte Morelli. Er gab mir ein Bier. »Die Flasche kannst du mitnehmen.«
Ich sah ihn mißtrauisch an. »Kommt das Bier etwa aus meinem Kühlschrank?«
»Nein«, sagte Morelli. »Von woanders.«
»Gut. Wenn es aus meinem Kühlschrank wäre, könnte ich es nicht trinken.«
»Ich weiß«, sagte Morelli und schob mich ins Badezimmer. »Geh schön duschen, und trink dein Bier.«
Als
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