Zweite Chance - zu dritt
hinein. Cassidys Brust hob und senkte sich ruhig. Der Anblick des schlummernden Kindes mit dem friedlichen Gesichtsausdruck erfüllte Kate mit einer wunderbaren Wärme. Wie konnte etwas so Kleines ein solches Wohlgefühl in ihr auslösen? Sie kämpfte gegen den Drang an, die weiche Babywange zu streicheln. Auf keinen Fall wollte sie das schlafende Kind wecken.
Nachher kam Jared und löste sie ab.
Auf einmal erkannte Kate, was das bedeutete. Es würde keinen sauberen Schnitt, keinen Abschied von Jared mehr geben. Sie konnte die Erinnerungen jetzt nicht mehr einfach in eine Schublade stecken und diesen Mann vergessen. Die nächsten achtzehn Jahre würden sie damit verbringen, gemeinsam Entscheidungen für Cassidy zu treffen.
Die Erkenntnis traf Kate mit voller Wucht. Sie und Jared hatten sich meistens nicht mal einigen können, welche Sendung sie im Fernsehen sehen oder wohin sie am Wochenende zusammen essen gehen wollten. Wie sollten sie sich je in Erziehungsfragen abstimmen?
Plötzlich fröstelte Kate. Ein Kind großzuziehen war etwas ganz anderes, als bei Jareds Nichten und Neffen Babysitter zu spielen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie … Mutter sein sollte. Muttersein war ein fernes Ideal gewesen, das sie ganz hinten irgendwo in ihrem Herzen vergraben hatte. Erst recht, seit sich die Trennung am Horizont abgezeichnet hatte.
Und Jared? Er hatte genauso wenig Erfahrung wie sie. Er mochte Kinder, und Kate hatte immer gern zugesehen, wie liebevoll er mit ihnen umging. Aber das war etwas anderes als ein eigenes Kind. Und angesichts seiner vielen Geschäftsreisen, und wenn sie erst einmal geschieden waren …
Kate lehnte sich an die Wand, ohne das kleine Mädchen aus den Augen zu lassen. Sie wollte Susan nicht enttäuschen – aber wie um alles in der Welt sollten Jared und sie das schaffen?
„Wie wollt ihr das schaffen?“ Durch das Knistern und Rauschen hindurch hörte Jared die Besorgnis seiner Mutter am anderen Ende der Leitung.
Er stand mit seinem Wagen in der Schlange bei einem Burger-Drive-In und telefonierte mit seiner Familie. Es war Mittagszeit, und Kate hatte sicher auch noch nichts gegessen.
Zu gern hätte er seine Mutter mit ein paar lässigen Sätzen beruhigt, aber dieses eine Mal ließ ihn seine gewohnte Schlagfertigkeit im Stich. Im Hintergrund hörte Jared, wie zwei weitere Familienmitglieder ihre Kommentare zu der Neuigkeit abgaben.
„Ein Kind großzuziehen ist noch nicht einmal unter den besten Bedingungen leicht“, fuhr Margery Reed fort.
Seine Mutter dachte dabei an seine Ehe, das war ihm klar. Oder genauer, an ihr unvermitteltes Ende. Die Trennung hatte nicht nur ihn, sondern auch den gesamten Reed-Clan geschockt. Eigentlich hatten ihn seine Familienmitglieder zuvor geschlossen ermuntert, den neuen Posten anzunehmen und nach Seattle zu ziehen. Sie waren alle davon überzeugt gewesen, dass Kate mitkommen würde. Auch er selbst hatte geglaubt, dass er ihr mehr bedeutete als ihre Karriere. Offenbar hatte er sich geirrt.
„Nach der Scheidung wird es schwer für Kate als alleinerziehende Mutter“, bemerkte Margery.
„Keine Sorge, Mom.“ Dass er Cassidy bekommen würde, wollte er seiner Familie nicht auch gleich noch auf die Nase binden. „Wir schaffen das schon. Die Reeds fallen immer auf die Füße.“
„Du klingst wie dein Vater.“
Jared lachte, aber er fühlte die Last auf seinen Schultern. Er hatte einen verantwortungsvollen Job, bei dem seine Klienten auf seinen Rat hin Millionen investierten. Doch die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen war etwas ganz anderes.
„Kopf hoch, Jared“, sagte Margery. „Du wirst ein prima Vater.“
Brady hatte in seinem Brief dasselbe geschrieben.
„Möchtest du, dass wir nach Boise kommen und euch helfen?“, bot seine Mutter an. „Wir könnten morgen da sein. Heute Abend schon, wenn ihr uns braucht.“
Ja. Bitte, Mom. Es war allzu verlockend, das Ganze einfach in die erfahrenen Hände seiner Mutter zu legen. Aber Jared schluckte die Worte hinunter, bevor er sie aussprechen konnte.
Kate war es nie leichtgefallen, die wohlmeinenden Ratschläge und die Unterstützung seiner Eltern anzunehmen. Manchmal erinnerte sie ihn an die halbwilde Katze, die sich in seiner Kindheit einmal eine Zeit lang in der Reedschen Garage eingerichtet hatte. Sie wollte zwar gestreichelt werden, fauchte und buckelte aber sofort, wenn es ihr zu viel wurde.
Jared wusste, dass seine Eltern nur sein Bestes wollten, aber es kam einem manchmal so vor, als
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