Zwergenblut: Roman
begreife es einfach nicht«, fuhr Lamar nach einer kurzen Pause fort, während der er einen großen Schluck aus seinem Bierhumpen getrunken hatte. »Noch gestern hätte die Mehrzahl aller Einwohner Tharlia am liebsten auf der Stelle vom Thron gejagt. Vor allem die Arbeiterkaste war fast geschlossen gegen sie. Und jetzt scheint all das vergessen, und man lässt sie hochleben, als ob es die vergangenen Monate mit allem, was unser Volk während dieser Zeit erleiden musste, gar nicht gegeben hätte.«
»Diese Hexe hätte überhaupt niemals Königin werden
dürfen«, stieß Burian hervor, trank ebenfalls einen Schluck und rülpste laut. »Unter meiner Regentschaft wären wir niemals schmählich aus Elan-Dhor geflohen und hätten es diesen Bestien überlassen. Aber seit Tharlia auf dem Thron sitzt, muss unser Volk eine grausame Prüfung nach der anderen erleiden. Ein sicheres Zeichen, dass Li’thil sich von uns abgewandt hat.« Er rülpste noch einmal und warf Lamar einen finsteren Blick zu. »Vergessen wir außerdem nicht, dass Ihr bei dem Putsch gegen mich eine nicht unwesentliche Rolle gespielt habt, auch wenn Ihr das mittlerweile zu bedauern scheint.«
»Es lässt sich wohl leider nicht verleugnen«, murmelte Lamar.
Tatsächlich hatte er all seinen Einfluss innerhalb der Arbeiterkaste aufgeboten und sogar alte Schulden, die Ratsmitglieder bei ihm hatten, ins Feld geführt, um Tharlia den Weg zur Macht zu ebnen. Die politische Bedeutung dieses Schritts war ihm weitgehend egal gewesen, er war dabei sehr viel persönlicheren Beweggründen gefolgt. Er hatte aus Liebe gehandelt.
Was für ein Narr er doch gewesen war!
Seit vielen Jahren schon liebte er Tharlia, doch schien es stets eine vergebliche Liebe gewesen zu sein, da es den Priesterinnen der Li’thil verboten war, sich einem Mann hinzugeben. Dennoch hatte sie ihm immer wieder Hoffnungen gemacht, und ihre Krönung schien der Weg zur Erfüllung seiner Träume gewesen zu sein, denn durch diesen Schritt hatte sie nicht nur ihr Amt als Hohepriesterin aufgeben müssen, sondern ihre gesamte Zugehörigkeit zum Priesterinnenorden, was sonst niemals möglich gewesen wäre. Allein deshalb hatte Lamar sie dabei nach Kräften unterstützt.
Doch nachdem sie auf diese Art frei für ihn geworden
war, hatte sich ihr Verhalten ihm gegenüber verändert. Sie war ihm immer stärker aus dem Weg gegangen und nur noch mit Staatsgeschäften beschäftigt gewesen, zumindest hatte sie diese ständig vorgeschoben, auch wenn er es in seiner blinden Verliebtheit lange nicht hatte wahrhaben wollen. Vor wenigen Wochen schließlich hatte er ein großes Fest des Hauses Tarkora anberaumt, währenddessen er sie feierlich hatte bitten wollen, ihn zu heiraten. Tharlia jedoch hatte lediglich erklärt, dass sie ein pompöses Fest für pietätlos hielte, solange die Auseinandersetzungen mit den Menschen an der Oberfläche andauerten. Das war eine so dürftige Ausrede gewesen, dass er spätestens in diesem Moment zu begreifen begonnen hatte, dass sie keineswegs wirklich vorhatte, ihn zu heiraten. Den endgültigen Beweis hatte er dann erhalten, als er die Feier verschoben hatte und Tharlia einen Tag vor dem geplanten Termin dem auf dem Marsch zum Kalathun befindlichen Heer nachgereist war, angeblich, um es moralisch zu unterstützen.
Als ob es einem in die Schlacht ziehenden Heer irgendetwas nutzen würde, wenn es von einer Königin begleitet wurde, die von der Kriegskunst absolut nichts verstand und es deshalb nicht einmal anführen konnte!
»Die Rückeroberung Zarkhaduls ist zweifellos ein großer Erfolg«, riss Burian ihn aus seinen Gedanken. »Den können auch wir nicht schmälern. Aber wir können dafür sorgen, dass die Hexe ihn nicht für sich verbuchen kann. Schreiben wir ihn Barlok zu, er hat die Expedition schließlich geleitet. Sein Ruhm und seine Beliebtheit beim Volk sind ohnehin so groß, dass sie kaum noch wachsen können, aber er stellt keine Gefahr für uns dar.«
»Er strebt zwar selbst nicht nach der Königswürde, aber er ist immerhin Tharlias engster Verbündeter.«
»Pah!« Mit einer zornigen Handbewegung wischte Burian den Einwand zur Seite. »Immer ein Problem nach dem anderen. Wenn Tharlia wieder in Ungnade fällt und sich der Volkszorn gegen sie entlädt, wird auch er mit all seinem Ruhm sie nicht mehr stützen können. Stürzt sie, dann stürzt auch er.«
Lamar antwortete nicht. Er glaubte nicht, dass es ganz so einfach sein würde, aber das sollte nicht sein Problem
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