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Zwergenblut: Roman

Zwergenblut: Roman

Titel: Zwergenblut: Roman
Autoren: Frank Rehfeld
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sich und seinen Gedanken allein zu sein. Tief atmete er die kühle Nachtluft ein. Er wünschte sich, in den prächtigen Stammsitz seiner Familie in Elan-Dhor zurückkehren zu können, doch wenn es irgendetwas gab, was er an der Oberfläche schätzte, dann war es die sehr viel würzigere
Luft hier oben mit ihren zahlreichen Gerüchen. Lamar genoss es, wie der Wind ihm Haar und Bart zerzauste.
    Er achtete kaum auf seine Umgebung oder darauf, wohin er ging. Seine Gedanken waren wie beinahe immer bei Tharlia, und er führte im Kopf stumme Zwiegespräche mit ihr, in denen er ihr all das sagte, was sein Herz bedrückte und worüber er in der Realität niemals mit ihr hatte sprechen können.
    Seine Schritte führten ihn in den Ostsektor der Siedlung, wo sich hauptsächlich Schmieden und andere Handwerksbetriebe befanden, für die es jedoch zum wachsenden Unwillen der Arbeiterkaste in den zurückliegenden Wochen aufgrund mangelnder Rohstofflieferungen und der Auseinandersetzungen mit den umliegenden Dörfern der Menschen immer weniger zu tun gab. Entsprechend wurde auch jetzt nirgendwo hier gearbeitet. Das Grölen und Singen der hauptsächlich vor dem Palast versammelten Menge drang nicht bis hierher, sodass eine geradezu gespenstische Stille herrschte, nur durchbrochen vom Geräusch, das Lamars Schritte auf den Pflastersteinen erzeugten, und dem Wind, der durch die Straßen und um die Ecken und Dächer der behelfsmäßig errichteten Gebäude pfiff.
    Anderenfalls hätte er den leisen Laut, der plötzlich hinter ihm erklang, vermutlich nicht einmal gehört.
    Erschrocken fuhr Lamar herum, doch hinter ihm war nichts. Die Straße war leer.
    Dennoch vernahm er nach wenigen Sekunden erneut das Geräusch, eine Mischung aus leisem Zischen und Fauchen.
    Und diesmal hatte es eindeutig näher geklungen, obwohl auch weiterhin nicht das Geringste zu entdecken war.
    Hastig griff er mit der Hand an seinen Gürtel, dann erst wurde ihm bewusst, dass er keine Waffe bei sich trug. Innerhalb
der gut bewachten Wälle Elan-Tarts hatte er das nicht für nötig gehalten, außerdem war er kein Krieger, sondern gehörte der Arbeiterkaste an, und für jemanden seines hohen Standes ziemte es sich nicht, mit einem Schwert oder gar einer Axt bewaffnet herumzulaufen.
    Lediglich einen winzigen Dolch, der eher zur Zierde als zur Verteidigung diente, führte er mit sich. Es war eine erbärmliche Waffe, aber besser als gar keine. Er zog den Dolch und hielt die kaum mehr als fingerlange Klinge drohend vor sich ausgestreckt.
    »Wer ist da?«, stieß er hervor und ärgerte sich, dass seine Stimme nicht annähernd so fest klang, wie er es beabsichtigt hatte. Unverkennbare Angst schwang darin mit.
    Lamar erhielt keine Antwort, aber etwas war da, in seiner unmittelbaren Nähe. Er konnte es jetzt sogar spüren, eine finstere, böse Ausstrahlung, die sich wie eine Schlinge um ihn zusammenzog. Schritt für Schritt wich er zurück und kämpfte gegen seine aufwallende Furcht an. Alles in ihm schrie danach, fortzulaufen, aber dafür hätte er sich umdrehen und der Gefahr den Rücken kehren müssen, und das brachte er nicht fertig.
    Angesichts seines hohen Standes und seiner Zugehörigkeit zur Arbeiterkaste hatte er nicht an den Kämpfen gegen die Dunkelelben teilgenommen und war noch niemals einem begegnet, doch freilich wusste er, dass diese Kreaturen sich unsichtbar machen konnten. Daran musste er jetzt denken, und dieser Gedanke erfüllte ihn mit Panik.
    Aber es war völlig unmöglich, dass ein Dunkelelb bis hierher, mitten ins gut bewachte Elan-Tart, vordringen hatte können! Alle Zugänge in die Tiefenwelt waren sorgsam verschlossen worden, damit die Thir-Ailith nicht an die Oberfläche gelangen konnten, und an den Hängen des
Tharakol patrouillierten unablässig von magisch begabten Priesterinnen unterstützte Krieger.
    Nein, es musste eine andere Erklärung geben. Vermutlich erlaubte sich nur jemand einen bösen Scherz mit ihm, versuchte Lamar sich einzureden.
    »Wer ist da?«, stieß er noch einmal hervor. »Ich weiß, dass da jemand ist. Komm heraus und zeige dich!«
    Diesmal erzielte er tatsächlich eine Reaktion, wenn auch völlig anders, als er es sich erhofft hatte. Das Zischen wiederholte sich, erklang nun fast unmittelbar vor ihm, dann begann die Luft nur zwei Schritte von ihm entfernt zu wabern. Wie aus dem Nichts nahm eine hagere, hochgewachsene Gestalt, die gut eine Armlänge größer war als er, vor ihm schemenhafte Form an. Ungefähr dort, wo sich ihr
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