Zwergenfluch: Roman
groß die Ader ist und wie viel Gold hier liegt«, fügte er in gemäßigterem Tonfall hinzu. »Und wir können noch keine Aussagen über eventuelle Gefahren treffen, was zumindest für mich weitaus entscheidender ist.«
»Gefahren?« Nurans Stimme klang schrill, und er machte eine weit ausholende Geste mit der Hand. »Wo sollen denn hier Gefahren lauern? Seid Ihr immer noch nicht bereit, Euren Irrtum einzugestehen? Ich sage, wir kehren sofort um und erstatten Bericht.«
Es ging gar nicht darum, wie sie sich verhalten sollten, erkannte Barlok. Nuran witterte Oberwasser, weil im Moment alles zu seinen Gunsten sprach. Diesen Triumph wollte er auskosten, um ihn zusätzlich zu demütigen, indem er es auf eine Machtprobe ankommen ließ. Barlok wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte, aber er war nicht bereit, sich so einfach geschlagen zu geben.
»Und was bringt Euch zu der Vermutung, dass Ihr das zu entscheiden hättet, Erzmeister?«, fragte er und schob sein kantiges Kinn noch ein wenig mehr vor, während er auf den kleineren Zwerg hinabblickte.
»Ihr seid nur als unsere Eskorte hier, und ich habe das Kommando für dieses gesamte Unternehmen!«
»Falsch«, entgegnete Barlok grinsend. »Eure Aufgabe besteht allein in der Untersuchung der Goldader. Meine und die meiner Männer aber ist nicht nur Euer Schutz, sondern auch eine Bestimmung potentieller Gefahren, und dieses Gebiet gilt erst dann als sicher, wenn ich sage, dass es sicher ist. Und jetzt sage ich, dass ich noch nicht genug gesehen habe, um eine solche Entscheidung zu treffen. Also kümmert Euch um Eure Belange und lasst mich meine Arbeit so erledigen, wie ich es für richtig halte! Ist das klar?«
Einen Moment lang starrte Nuran ihn noch zornig an, dann wandte er sich wortlos ab.
»Das war nicht besonders klug«, sagte Warlon leise. »Dass er dich nicht leiden kann, ist allgemein bekannt, aber jetzt hast du dir einen Feind geschaffen.«
»Vor solchen Feinden habe ich keine Angst. Der Kerl ist ein aufgeblasener Dummkopf. Er beruhigt sich schon wieder. Bei all dem Gold um uns herum wird sein Zorn nicht lange andauern.«
»Und was hast du jetzt vor?«
Barlok antwortete nicht direkt, sondern ging ein paar Schritte auf und ab, ehe er wieder vor Warlon stehen blieb.
»Das Sinnvollste wäre es, wenn wir alle zusammenblieben, um im Falle eines Angriffs eine möglichst wirkungsvolle Verteidigung aufbauen zu können«, sagte er. »Aber so, wie die Dinge liegen, werde ich das genaue Gegenteil tun müssen. Sieh mal nach dort!« Barlok deutete in den Stollen, vor dem sie standen. »Da vorne gabelt sich der Gang gleich mehrfach.«
Warlon sog scharf die Luft ein. »Du hast doch nicht etwa vor...«
»Obwohl es mir widerstrebt, bleibt mir keine andere Wahl«, erklärte Barlok. »Falls ich keine stichhaltigen Einwände vorbringen kann, werden unmittelbar nach unserer Rückkehr Tausende von Arbeitern hier mit dem Schürfen beginnen, und wahrscheinlich werden mindestens noch einmal so viele aus der Krieger- und der Gelehrtenkaste herkommen, nur um sich diese unvorstellbar gewaltige Goldader mit eigenen Augen anzusehen. Um das Risiko gering zu halten, dass sie geradewegs in ihr Verderben laufen, müssen wir ein möglichst großes Gebiet überprüfen. Uns bleibt also nichts anderes übrig, als uns in mehrere Gruppen aufzuteilen und darauf zu hoffen, dass wir nicht angegriffen werden. Jeder Krieger, uns beide eingeschlossen, begleitet jeweils zwei Arbeiter, und dann nehmen wir uns getrennt die verschiedenen Stollen vor.«
»Aber das ist verrückt! Wenn wir wirklich auf eine Gefahr stoßen -«
»Vielleicht ist es das«, fiel ihm Barlok ins Wort. »Aber wie ich schon sagte, uns bleibt leider keine andere Wahl. Ich werde auf keinen Fall umkehren, bevor ich herausgefunden habe, was hier unten nicht stimmt!«
Je weiter sie vordrangen, desto beschwerlicher wurde der Weg. Der Boden war uneben und voller Spalten, hin und wieder stieg er an, um anschließend steil um manchmal mehr als einen halben Meter abzufallen, und war teilweise von Geröll übersät. An einigen Stellen hing die Decke so niedrig, dass Barlok und seine beiden Begleiter sich bücken mussten, und mehr als einmal rückten die Wände so nah zusammen, dass sie sich nur mit Mühe seitlich hindurchzwängen konnten. Der Fels schien eine eigene Feuchte abzusondern und ließ Barloks Hände und sein Gesicht, das
er eng an den Stein hatte pressen müssen, klamm zurück. Aber sie konnten froh sein,
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