Zwergenkinder, Band 02 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 02
wäre eingetreten.«
»Immerhin beruhigt es mich, dass die Zukunft nicht gänzlich feststeht«, meinte Arro.
»Sie steht in Wahrheit überhaupt nicht fest«, erklärte Olba. »Es ist ungefähr so: Wenn du einen Stein in die Höhe wirfst und ihm dabei hinterherschaust, kannst du vorhersagen, dass er dir auf die Nase fallen wird.«
»Aber ich könnte ja einen Schritt zur Seite machen«, gab Arro zu bedenken.
»Eben«, sagte Olba. »Und dadurch ändert sich dann die Zukunft.«
Sie sah an der hohen Schiffswandung der »Wüstenblume« empor. Das Wüstenschiff bot einen majestätischen Anblick, und in seinem Inneren ließen sich gewiss ein Dutzend karanorischer Echsen samt Wagen und Ladung unterbringen.
Die starren, sich niemals im Wind bewegenden magischen Segel, durch die die Wüstenschiffe der Sandlinger ihre Kraft bezogen, wurden bei voller Fahrt von grellen Blitzen umflort. Im Moment aber glimmte auf den Segeln nur hin und wieder ein winziger Funke. Das sprach eigentlich nicht dafür, dass der Kapitän der »Wüstenblume« beabsichtigte, früher als geplant aufzubrechen.
Auf einmal erschien eine Gestalt an der Reling des Schiffes. Es handelte sich eindeutig um einen Sandlinger.
Er trug weite Gewänder und einen dunklen Lederharnisch. Das Gesicht war mit Tüchern vermummt, sodass davon nur noch die golden schimmernden Augen zu sehen waren. Seinen Kopf umschloss ein goldener Stirnreif, in dem vorn ein leuchtender roter Edelstein eingelassen war. An seiner Seite hing ein Schwert mit einer langen, dünnen Klinge. Um den Griff dieser Waffe hatte er seine Hand gelegt, die in einem Handschuh steckte, der aus schimmerndem Gold zu bestehen schien. Auf der Brust des Sandlingers lag ein Amulett, das ihn als Kapitän kennzeichnete.
»Kapitän Kandra-Muul!«, entfuhr es Saradul.
»Warum seid ihr schon hier?«, fragte der Sandlinger-Kapitän mit tiefer, dumpf klingender Stimme, wobei das Leuchten seiner Augen noch intensiver wurde. »Wir brechen erst in einigen Stunden auf.«
»Nun, wir haben gehört, Ihr würdet vielleicht schon früher ablegen«, antwortete Saradul.
»Wollt Ihr behaupten, ich würde meinen Passagieren eine falsche Zeit nennen? Zudem habt Ihr bereits für die Reise … nun, bezahlt , wenn man es so nennen will.«
»Wie auch immer«, entgegnete Saradul. »Wir bitten, an Bord kommen zu dürfen.«
»Erlaubnis erteilt«, grummelte Kapitän Kandra-Muul. »Die Laderampe ist allerdings schon eingeholt, da die Waren, die wir mitnehmen, bereits aufs Schiff gebracht wurden. Die Riesen aus Zylopien arbeiten nicht gern in der Nacht.«
»Ihr hättet Zwerge anheuern sollen«, meinte Lirandil.
»Aber die verlangen mehr Lohn und können weniger tragen, werter Elb«, widersprach Kapitän Kandra-Muul.
Dann richtete er seinen Blick auf den Mast des Schiffes, und ein dünner roter Lichtstrahl schoss aus dem Stein an seinem Stirnreif nach oben. Er verzweigte sich wie ein Blitz und knisterte in der Takelage, woraufhin sich einige der Seile leicht hin und her bewegten.
Aber es waren gar keine Seile, wie Tomli nun erkannte, sondern …
»Seilschlangen!«, rief er. »Sie werden uns an Bord holen.«
Die Seilschlangen waren durch Magie beeinflussbare Wesen, die beim Beladen der Sandlinger-Schiffe halfen. Sie streckten sich ihnen vom Quermast entgegen, wobei sich ihre Körper erstaunlich weit in die Länge zogen, und eine wand sich um Tomlis Hüfte, um den Zwergenjungen emporzuheben, als würde er nichts wiegen. Er wurde sanft nach oben gezogen und dann ebenso behutsam auf dem Deck abgestellt.
Auch Olba, Saradul und Arro gelangten auf diese Weise an Bord.
»Was ist mit den Pferden?«, wandte sich Olfalas sorgenvoll an Lirandil.
Noch bevor der Fährtensucher antworten konnte, wurde eines der Elbenpferde von einer Seilschlange umfasst und nach oben gehoben, und im nächsten Moment geschah das Gleiche mit dem zweiten Reittier.
»Hab keine Angst«, sagte Lirandil zu seinem Schüler. »Die Seilschlangen sind nützliche und friedliche Tiere, die uns nichts tun werden.«
»Habt Ihr Euch bei Euren früheren Besuchen in dieser Stadt auch schon auf diese Weise durch die Luft tragen lassen?«, fragte Olfalas erstaunt.
»Natürlich«, antwortete Lirandil. »Wie du inzwischen wissen solltest, bin ich ein sehr neugieriger Elb.«
Im nächsten Moment legte sich auch um Lirandils Hüfte eine Seilschlange und zog ihn die Schiffswandung empor, um ihn an Deck abzusetzen.
Olfalas war anzusehen, dass er lieber über ein Fallreep oder
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