Zwergenkinder, Band 02 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 02
zwergenkniehohen Stumpfes steckte die Axt.
Es gab keinen Zweifel daran, dass es die Axt des Ubrak war, denn die Zwergenrunen auf dem Griff und der Klinge glühten auf, als sich die Zwergenkinder näherten, und auch die Runen auf ihren Stirnen leuchteten so stark, dass sie sogar einen Lichtschein warfen.
»Ist das etwa der Baum, von dem du gesprochen hast, Olba?«, fragte Tomli.
»Das war er. Der, den ich gesehen habe, war ganz .«
»Na los, worauf warten wir?«, flüsterte Arro. »Nehmen wir uns die Axt!«
Er stieg auf den Baumstumpf, woraufhin ein dumpfes, widerwilliges Knarren aus dem Holz drang.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Olba aufgeregt und betrat ebenfalls den Stumpf.
Tomli zögerte. »Wartet!«
»Nein, Tomli, das geht nicht!«
»Aber die Stimmen, Olba! Hör ihnen doch mal zu!«
»Dieses Geistergesabbel geht mir auf den Zwergenhelm«, beschwerte sich Arro. »Das ist doch nur ein Durcheinandergeraune von irgendwelchen uralten Herrschern, die man falsch beerdigt hat oder so was in der Art.«
Tomli aber lauschte den Geisterstimmen und konzentrierte sich auf sie.
»Zwei Kräfte … Die eine im Baum, die andere in der Axt … Doch die Axt kann den Baum nicht mehr lange bezwingen …“
Tomli war sich nicht sicher, ob er das wirklich mit den Ohren hörte oder ob er fremde Gedankenwahrnahm. Widerwillig folgte er den beiden anderen Zwergenkindern auf den Stumpf.
Die Jahresringe verformten sich, zogen sich zurück, so als wollten sie den Füßen der Zwergenkinder ausweichen. Manchmal schienen sich Symbole zu bilden, Zeichen einer Schrift, die Tomli noch nie zuvor gesehen hatte.
Tomli lauschte weiterhin den Stimmen. »Einst wollte ein Herrscher von Cosanien die Zukunft vorhersehen und sein Schicksal kennen. Er war in der Magie bewandert, und so pflanzte er einen Baum, auf dessen Rinde die Zukunft in Runen geschrieben stand, die sich fortwährend veränderten. Nur er vermochte sie zu lesen, und so galt er als weiser Herrscher, denn alles, was geschah, sah er voraus …“
Inzwischen hatten die drei Zwergenkinder die Axt erreicht. Arro wollte sie schon ergreifen, aber Tomli hielt ihn zurück. »Ich muss erst den Illusionszauber wirken, damit niemand den Verlust bemerkt.«
Doch er zögerte. Die Stimmen hielten ihn davon ab.
»Doch der Baum wuchs und wuchs, und seine Wurzeln drohten die Hauptstadt zu vernichten. Kein Mittel schien es gegen das wuchernde Gewächs zu geben, das alle Mauern durchdrang und sie zerstörte.
Da brachten Greifenjäger eine magische Axt in die Stadt, die sie einem Greifen abgenommen hatten, der vor ihnen fliehen konnte.
Mit dieser Axt und ihrer Magie fällte einer der Greifenjäger den Baum über der Wurzel. Er wurde daraufhin selbst zum Herrscher erhoben, während der, der den Baum gepflanzt hatte, aus dem Reich fliehen musste. Dass er rechtzeitig die Flucht ergreifen konnte, verdankte er den Runen auf der Rinde des Schicksalsbaums, denn sie verrieten ihm die drohenden Ereignisse …“
Bilder erschienen vor Tomlis innerem Auge. Er sah, wie der Greifenjäger die Axt in den ungeheuer dicken Stamm des Schicksalsbaums schlug und dabei magische Funken aus dem Axtblatt sprühten, die sich durch das Holz des Baums brannten. Schließlich fiel der Baum und wurde daraufhin zu Staub. Nur der Stumpf blieb, und aus ihm drohte erneut ein Baum emporzuwachsen.
Aber der Greifenjäger schlug die Axt tief in das Holz, und nur ihre Kräfte hinderten den Baum daran, wieder zu wachsen.
Tomli spürte, wie ihn jemand anstieß. Im nächsten Moment drang Olbas Stimme an sein Ohr. »Du träumst doch nicht etwa ausgerechnet jetzt, oder?«
Tomli schüttelte den Kopf. »Wir dürfen die Axt nicht …“
Doch es war zu spät. Arro hatte den Stiel bereits mit beiden Händen gepackt und riss die Axt mit einem kräftigen Ruck aus dem Holz.
Funken sprühten aus dem Axtblatt, das aufglühte, so als würde es jeden Moment schmelzen. Auch das überlaute Knarren des Baums war wieder zu hören.
Tomli versuchte den Illusionszauber anzuwenden. Er murmelte die Formel, so wie Meister Saradul sie ihm beigebracht hatte. Dabei starrte er auf die Zauberaxt in Arros Händen, um sie in seinem Kopf genau nachzuformen.
Ein Abbild der Axt erschien auf dem Baumstumpf, aber es war noch ganz durchscheinend.
Tomli spürte auf einmal, wie der Grund unter seinen Füßen schwankte. Das Holz des Baumstumpfes bewegte sich. Arro wäre beinahe gestürzt.
»Der Stamm beginnt wieder zu wachsen!«, keuchte Tomli.
»Ja, und das
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