Zwergenkinder, Band 02 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 02
dieser Schiffe und auch einige Lastenflöße und kleinere Flussboote waren flussaufwärts unterwegs, so wie Kandra-Muul es vorausgesagt hatte. Sie fuhren voll beladen dem Wüstenschiff entgegen und würden ebenfalls voll beladen zurückkehren. Außerdem kam ein Zug von Pferdegespannen den reisenden Gefährten entgegen.
»Wenn wir in zwei Tagen zurückkehren, wird uns Kapitän Kandra-Muul wieder mitnehmen«, erklärte Saradul. »Oder wir warten eine Woche, denn er fährt von hier aus noch bis zur Ostküste von Cosanien, wo die Wüste zum Teil bis ans Meer reicht. Anschließend kommt er wieder hier vorbei. So hat er es mir zumindest erklärt.«
»Sein Zeitplan scheint mir allzu eng, als dass er ihn wirklich einhalten könnte«, äußerte sich Lirandil. »Die Hast der Menschen scheint auf die Sandlinger abgefärbt zu haben, seit sie mit ihnen Handel treiben.«
»Wir werden sehen«, mischte sich Ambaros ein, »ob sich Kapitän Kandra-Muul an seinen Zeitplan halten kann. Ich habe schon oft erlebt, dass er erst Tage später wieder hier eintraf. Erst dann konnte ich auf seiner ›Wüstenblume‹ weiter nach Ara-Duun reisen.«
»Ihr wollt auch wieder dorthin zurück?«, fragte Tomli.
»Selbstverständlich werde ich nach Ara-Duun zurückkehren. Schließlich will ich mich davon überzeugen, dass ihr die Gefahr durch den Weltenriss bannen könnt.«
»Sprecht besser nicht darüber, solange Meister Saradul in der Nähe ist«, raunte Tomli ihm zu. »Ich glaube nicht, dass ihm die Aussicht gefällt, dass Ihr uns noch eine ganze Weile begleiten werdet.«
»Er wird sich noch sehr darüber freuen«, prophezeite Ambaros, wobei er ebenfalls flüsterte. »Spätestens, wenn er merkt, wie wenig Verbündete er ansonsten hat. Der Zwergenkönig von Ara-Duun hat euch in seinem Palast zwar etwas freundlicher empfangen als mich, doch würde er eure Sache wirklich für wichtig erachten, hätte er euch eine Armee von Zwergenwächtern mit auf die Reise gegeben, mit dem Auftrag, vom Cosanischen Herrscher die Herausgabe der Axt zu fordern.«
Tomli seufzte schwer und ließ die Schultern hängen. »Ehrlich, Ambaros, Ihr überschätzt die Macht unseres Königs maßlos.«
Unbehelligt ließ man sie das Stadttor passieren, dann führte Ambaros sie zu einem Gasthaus, in dem er stets übernachtete, wenn er in Cosan weilte. Es gehörte Derry Zelbo, einem Halbling aus Osterde, der vor vielen Jahren nach Cosanien gekommen war und sich in der Hauptstadt des Landes niedergelassen hatte.
Derry hatte spitze Ohren, die aus struppigem dunkelgrauem Haar hervorstachen. Er war nur wenig größer als Tomli und damit etwa halb so groß wie ein Mensch oder Elb, wovon sich auch der Name seines Volkes ableitete. Nur seine Füße waren im Verhältnis zum Rest des Körpers riesig. Selbst die Füße des hochgewachsenen Lirandil wirkten im Vergleich dazu geradezu zierlicher. Wie es der Sitte der Halblinge entsprach, ging Derry auch noch barfuß.
»Ein Zimmer und einen Platz im Stall für Eure Pferde könnt Ihr gern haben«, sagte er, und mit einem augenzwinkernden Seitenblick zu Ambaros fügte er noch hinzu: »Wo Ihr dann die Nacht verbringen möchtet, ist Euch natürlich freigestellt, werter Zentaur.«
Ambaros fand das überhaupt nicht witzig. »Ich muss schon sagen: ein sehr netter Empfang, Derry! Ich hoffe, es macht sich in der Stadt niemand über Eure großen Füße lustig!«
»Was ist denn in Euch gefahren?« Der Halbling wunderte sich, dass dem Zentauren anscheinend jeglicher Humor abhanden gekommen war. »Man könnte ja meinen, Euch wäre ein Greif über den Hut geflogen.«
»Wie bitte?«
»Ach, so eine Redensart der Leute, die in diesem Landstrich leben«, sagte Derry. »Und seit in letzter Zeit tatsächlich immer mal wieder ein Greif in großer Höhe über der Stadt kreist, hört man sie wieder häufiger – und zwar immer dann, wenn jemandem etwas gegen den Strich geht oder nicht klappen will.«
»Ein Greif war hier?«, fragte Tomli.
Derry sah den Zwergenjungen an, doch bevor er antworten konnte, wollte Meister Saradul wissen: »Wo genau wurde dieser Greif gesehen?«
»Er kreiste über dem Geheimen Tempel, so als würde er davon angezogen. Das sorgte für einiges Aufsehen und sogar für ängstliches Geflüster. Ihr müsst nämlich wissen, dass die Bewohner von Cosan ein schlechtes Gewissen gegenüber den Greifen haben, weil sie diese Kreaturen früher gejagt haben. Sie fürchten sich insgeheim vor diesen Wesen. Dabei gibt es so wenige von ihnen, dass
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