Zweyer, Jan - Rainer
schließlich mit den Romanows verwandt war…
»Kann ich mir vorstellen. Und warum kommen Sie dann zu mir? Könnten nicht die Anwälte Ihrer Familie…?« Das interessierte Rainer wirklich.
»Wir greifen schon seit längerem nicht mehr auf unsere Hausanwälte zurück. Die Kosten, verstehen Sie?«
Also sehr verarmt. Rainer beschloss, unverzüglich nach einer Rechtsschutzversicherung zu fragen, als der Graf schon fortfuhr: »Ich habe ein kleines Problem mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Die verweigert mir aus völlig unverständlichen Gründen, wie Sie gleich selbst sehen können, eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Ich habe mich ja schon selbst mit diesen subalternen Beamten in Verbindung gesetzt, mehrmals in Verbindung gesetzt, muss ich betonen.
Leider aber erfolglos. Außer Unverschämtheiten haben mir diese Herren nichts Relevantes mitzuteilen gehabt. Nichts.
Dabei bin ich wirklich sehr krank.«
Äußerlich sah der Graf völlig gesund aus, fand Rainer. Keine sichtbaren Gebrechen. Aber vielleicht… Selbst Krebs war ja nicht so ohne weiteres erkennbar. »Woran leiden Sie?«, fragte der Anwalt mitleidig.
»An einer Computerphobie.«
»An einer Computerphobie. Das ja ist wirklich…« Rainer schluckte. »An was…?« Er sah von Rabenstein ungläubig an.
Der zupfte nervös an seiner Krawatte. »Computerphobie. Ich kann nicht mehr an Computern arbeiten.« Der Adlige nickte selbstvergessen mit dem Kopf. »Immer wenn ich zum Beispiel die Enter-Taste drücken muss, um eine Eingabe abzuschließen, überfällt mich eine quälende Lähmung. Ich kann mich einfach nicht dazu entschließen. Ich frage mich dann, ob ich alle Eingaben korrekt ausgeführt oder irgendetwas vergessen habe.
Dann kommen die Unruhezustände. Mein Herz rast, ich beginne zu zittern. Und die Schweißausbrüche! Völlig unkontrolliert. Natürlich passiert mir so etwas nur vor dem Computer. Wir Rabensteins hatten in unserer ganzen Familie noch nie eine solche Phobie. Selbstverständlich ist unser Geschlecht auch älter, viel älter als diese Technik. Es stellt sich außerdem die Frage… Entschuldigen Sie, wo ist die Toilette?
Ich glaube, ich muss kurz nach dem Sitz meiner Kleidung sehen.«
»Die Tür dort.«
Von Rabenstein zog sich zurück. Rainer versuchte, das eben Gehörte mental zu verarbeiten. Einige der geschilderten Symptome kannte er selbst von seiner Arbeit mit den elektronischen Helfern. Wenn das für die Gewährung einer EU-Rente reichen würde…
Der Fall begann ihn zu interessieren. Allerdings hatte er den Verdacht, dass seine eigenen Probleme mit Computern mehr mit seiner Weigerung zusammenhingen, einen Blick in die einschlägigen Handbücher zu werfen.
»Und dann habe ich noch ein weiteres, kleines Problem.« Der Graf war zurückgekehrt, nestelte am Verschluss seiner Tasche und förderte einen prall gefüllten Aktenordner zu Tage. Er öffnete das Teil und suchte ein Schreiben heraus. »Lesen Sie selbst. Ist das nicht eine Unverschämtheit?«
Esch hielt ein Schreiben eines Prof. Dr. Dr. Schwarzmüller in Händen, Neurologe und Psychiater an einer der Bochumer Universitätskliniken. Dieser Doppeldoktor hatte von Rabenstein im Auftrag der BfA untersucht und ein dreizehnseitiges Gutachten verfasst, welches Rainer nun in den Händen hielt.
Er überflog das medizinische Traktat, von dem er ohnehin nur einen Bruchteil verstand, und blieb dann beim Schlusssatz kleben:… leidet der Patient ohne Zweifel an einer narzisstischneurotischen Persönlichkeitsstörung. Unwillkürlich musste Rainer grinsen.
Von Rabenstein missdeutete Eschs Gesichtsausdruck. »Sehen Sie, Sie amüsieren sich auch. Es wäre ja zum Lachen, wenn…
Ist das nicht eine Unverfrorenheit? Persönlichkeitsstörung!
Was weiß denn dieser… dieser… Seelenklempner darüber?
Das frage ich Sie, Herr Esch?«
»Äh…«
»Genau. Nichts. Ich kenne mich doch schließlich besser aus als dieser unfähige Professor. Aber…« Der Adelige rückte seine Krawatte gerade und zog die Anzugjacke glatt. »Das können die vielleicht mit Krethi und Plethi machen, nicht aber mit Aleksander von Rabenstein.« Triumphierend sah er sich um, als ob er Applaus erwartete.
Rainer war fast gewillt, ihm den Gefallen zu tun. »Und ich soll…?«
»Diesen Beamten von der Bundesanstalt gehörig auf die Füße treten, jawohl. Nach meinen Anweisungen,
selbstverständlich.« Rabenstein beugte sich vertrauensvoll zu Rainer hinüber. »Wissen Sie, im Grunde könnte ich diese
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