Zweyer, Jan - Rainer
über seinen souveränen Auftritt setzte der Mützenmann fort: »Und jetzt kommen Sie unverzüglich mit und füllen einen Passierschein aus. Dann fahren Sie Ihren Wagen auf den Besucherparkplatz. Und dann…«
Brischinsky, der dem Auftritt des Pförtners mit zunehmendem Unmut gefolgt war, zückte seinen Dienstausweis. »Kriminalpolizei. Unser Fahrzeug bleibt hier stehen. Sagen Sie uns bitte, wo wir die Geschäftsleitung finden.«
Der Mann sah irritiert erst auf Brischinskys Dienstausweis, dann auf Brischinsky selbst und dann auf Baumann. »Die Geschäftsführung? Aber Sie müssen doch erst den Passierschein…« Seine fest gefügte Ordnung geriet merklich ins Wanken.
»Jetzt hören Sie mir bitte zu. Wir führen eine Ermittlung durch. Und werden keinen Schein ausfüllen. Und nun«, Brischinsky wechselte in seinen Befehlston über, den Baumann nur zu gut kannte, »sagen Sie mir sofort, wo ich die Geschäftsleitung finde.«
Der Mann erstarrte. Für einen Moment glaubte Baumann, er würde sich der Anweisung des Hauptkommissars widersetzen.
Dann siegten aber doch die urdeutschen Tugenden und der Pförtner unterwarf sich der Obrigkeit. »Erster Stock. Rechts durch die Glastür und dann geradeaus. Sie können es nicht verfehlen.«
Der Hauptkommissar nickte ihm dankend zu. Baumann traute seinen Augen kaum: Der Pförtner grüßte tatsächlich militärisch korrekt mit der Hand an der Schirmmütze zurück und verbeugte sich tief. Der Kommissar wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte.
Als sich die beiden Beamten der Eingangstür näherten, hörten sie den Pförtner aufgeregt in sein Funktelefon sprechen.
Dr. Friedhelm Lorsow – Geschäftsführer stand auf dem Kunststoffschild rechts neben der Tür. Und darunter: R. Müller
– Sekretariat.
Brischinsky klopfte und trat ein, ohne eine Antwort abzuwarten. Baumann folgte ihm. Das Vorzimmer war mit edlen Buchenmöbeln ausstaffiert. In der Mitte des Raumes stand eine überdimensionierte Winkelkombination, an den Wänden Schränke. Auf dem Schreibtisch befand sich eine hochmoderne Telefonanlage, wie Baumann mit Kennerblick registrierte. Und auch der Computer der Sekretärin schien nicht das älteste Modell zu sein.
»Sie wünschen, bitte?«
Eine gut aussehende Sekretärin unbestimmbaren Alters sah die beiden Beamten mit dem professionell taxierenden Blick einer erfahrenen Chefsekretärin an. Vom Ergebnis dieser Musterung hing es im Allgemeinen ab, ob der Besucher ins Allerheiligste vorgelassen wurde, einen Termin bekam oder sein Anliegen wenigstens der Herrscherin über Telefon und Terminkalender des Chefs vortragen durfte.
»Kriminalpolizei.« Brischinsky zeigte wieder seinen Dienstausweis. Er war sich vollkommen sicher, dass Frau R.
Müller schon von ihrem Kommen wusste. »Brischinsky. Das ist mein Kollege Baumann.«
»Roswitha Müller, angenehm.«
»Wir möchten bitte jemanden von der Geschäftsführung sprechen.«
»Tut mir Leid. Herr Dr. Lorsow hat eine Besprechung. Er hat leider keine Zeit«, sagte die Frau kühl. »Wenn Sie einen Termin möchten?« Sie sah im Tischkalender nach. »Anfang Dezember, wäre Ihnen das recht?«, fragte sie nach einer Weile mit einem leicht spöttischen Unterton.
»Ihnen wurde eines Ihrer Fahrzeuge gestohlen.« Brischinsky blätterte in seinem Notizbuch. »Ein Mercedes mit dem Kennzeichen RE-LD 69. Wer fährt das Fahrzeug üblicherweise?«
»Dazu kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Ich bin nicht befugt…«
Dem Hauptkommissar platzte der Kragen. Er stützte beide Hände auf die Schreibtischkante, beugte sich weit zu der Chefsekretärin hinüber und sagte betont leise: »Jetzt hören Sie mir mal zu, Frau Müller. Es ist mir völlig egal, zu was Sie befugt sind oder zu was nicht. Wir möchten augenblicklich den Geschäftsführer sprechen.«
Roswitha Müller machte auf Baumann nicht den Eindruck einer Frau, die sonderlich von Brischinskys Auftritt beeindruckt war.
Sie zog die rechte Augenbraue leicht indigniert hoch, musterte demonstrativ langsam erst Brischinskys Gesicht, dann seine Hände, griff schließlich zum Telefon und sagte: »Herr Dr. Lorsow, hier sind zwei Herren von der Kriminalpolizei. –
Ja, ich habe Ihnen gesagt, dass Sie in einer Besprechung sind, aber sie lassen sich nicht abweisen. Sie sagen…«, die Sekretärin suchte kurz nach Worten, »… es sei wichtig. Es geht um den gestohlenen Wagen. – Ja, selbstverständlich.«
Roswitha Müller legte auf, blickte hoch und ging zu einer Tür rechts von
Weitere Kostenlose Bücher