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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Geheimnis
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Schlüssel steckte.
    Das hätte normalerweise ihr Misstrauen nicht erregt. Störmers waren alte Menschen und häufig etwas vergesslich.
    Stutzig wurde sie, als trotz ihres heftigen Dauerklingeins und Klopfens niemand öffnete. Dass die alten Störmers frühmorgens ihre Wohnung verließen, wäre nicht verwunderlich gewesen. Sie waren Frühaufsteher und nutzten häufig die Morgenstunden zum Spazierengehen. Ganz anders jedoch der Enkel, der bei ihnen wohnte: Tobias Störmer pflegte normalerweise bis neun oder zehn zu schlafen, ausgiebig zu frühstücken und sich dann erst dem Stress eines Studentenlebens im ersten Semester Elektrotechnik hinzugeben. Er war lebendes Beispiel für den vor Jahren von einem Moderator im WDR 2 Mittagsmagazin geprägten Spruch: Guten Tag, meine Damen und Herren. Guten Morgen, liebe Studenten.
    Hilde schloss messerscharf, dass, da auch Tobias nicht öffnete, etwas nicht in Ordnung war. Sie verständigte den Nachbarn, der die Polizei und diese den Schlüsseldienst.
    Der benötigte keine Minute, den von innen steckenden Schlüssel aus dem Schloss zu befördern. Es dauerte weitere drei Sekunden, bis die Tür geöffnet war, und dann noch weitere zehn, bis ein markerschütternder Schrei alle Bewohner der Paulusstraße 13 und der nebenliegenden Häuser hochschrecken ließ.
    »Wir sind noch nicht so weit, Brischinsky«, knurrte der Leiter der Spurensicherung, als Rüdiger Brischinsky und Heiner Baumann in der Wohnung der Störmers eintrafen.
    »Handschuhe an und die Pariser über die Schuhe, aber dalli.
    Und bleibt im Flur und im Wohnzimmer. Da sind wir fertig.«
    Gehorsam griffen die beiden Polizisten zu den Überziehern aus Kunststoff, die verhindern sollten, dass bestehende Spuren verwischt oder neue gelegt wurden.
    »Wer sind die Toten?«, fragte Brischinsky durch die offene Wohnungstür einen der uniformierten Beamten, die im Flur warteten.
    »Ein Ehepaar, Hannelore und Peter Störmer, und ihr Enkel Tobias. Die Putzfrau hier hat sie einwandfrei identifiziert.«
    »Haushaltshilfe«, fauchte eine Rothaarige von Anfang dreißig zurück. »So viel Zeit muss sein.«
    Brischinsky beschloss, die Frau zunächst einmal in Ruhe zu lassen. Er ging zwei Schritte in die Wohnung. Ein Piepen irritierte ihn. Da es aber nicht das Piepen seines Handys war, ignorierte er es. Sein Blick fiel in ein kleines Zimmer, offenbar der Wohnraum des Studenten. Drei Spurensicherer beschäftigten sich gerade mit der Leiche Tobias Störmers. Der Tote saß mit dem Rücken zur Tür auf einem Schreibtischstuhl vor dem geschlossenen Fenster. Das Kinn war auf die Brust gesunken. Getrocknetes Blut bedeckte den Boden. Schlaff hing der rechte Arm des Toten herunter. In der Hand hielt er eine Pistole.
    »Habt ihr schon was?«, wollte der Hauptkommissar wissen.
    Einer der Männer in den weißen Overalls sah zu dem Hauptkommissar. »Später«, gab der Beamte zurück.
    Brischinsky betrat das Wohnzimmer. Auf dem Sofa lag ein Mann von etwa siebzig Jahren. Ihn hatte das tödliche Geschoss in die linke Schläfe getroffen. Getrocknetes Blut hatte die linke Gesichtshälfte des Opfers, seinen Hemdkragen und die sorgsam drapierten Sofakissen mit Häkelbesatz rot gefärbt.
    Wenn man von dem Toten absah, war nichts Ungewöhnliches in dem Raum. Schrankwand aus Nussbaum, Sitzgruppe aus Leder, Stereoanlage, Fernsehgerät – alles, was der Mensch so zum Leben brauchte. Auf der Fensterbank stand ein Käfig mit einem Kanarienvogel – die Ursache für das nervende Gepiepe.
    Brischinsky sah in den Käfig. Das Tier hatte noch Wasser und ausreichend Futter.
    »Ins Schlafzimmer könnt ihr jetzt auch«, rief einer der anderen Polizisten.
    Brischinsky und Baumann warfen einen Blick in den Schlafraum. Auch hier war alles voller Blut. Die tote Frau Störmer lag, den Körper grotesk verdreht, auf dem Doppelbett.
    Der Fotograf des Teams hüpfte zwischen den weißen Gestalten durch die Zimmer und war unablässig bemüht, die Leichen aus der vorteilhaftesten Blickrichtung auf Zelluloid zu bannen. Dazu ging er in die Knie, um den optimalen Winkel zu erreichen, wechselte die Objektive, variierte Blitzlichtstärke und -richtung und rückte den Opfern so nah auf die Pelle, dass man den Eindruck bekommen konnte, er wolle in die Toten regelrecht hineinkriechen. Baumann fragte sich im Stillen, welches Gesicht der Mann wohl machen würde, wenn sich eines der Opfer plötzlich bewegen würde. Bei dem Gedanken musste der Kommissar grinsen.
    Der oberste Spurensammler trat neben

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