Zweyer, Jan - Rainer
darin auch Unterkünfte für Urlauber vorhanden sind. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein reicher Hamburger in seiner Villa auch noch Feriengäste einquartiert. Du?«
»Nee.«
»Eben. Der Gemeinderat hat bisher immer versucht, die Entstehung von Gettos für Reiche und die damit verbundene Bodenspekulation zu verhindern. Aber die Investorengruppe hat schon viel Knete in die Planungen gesteckt, diese Ausgaben müssen sich irgendwann auszahlen. Die Pläne liegen seit geraumer Zeit fertig in den Schubladen. Die brauchen nur noch die Zustimmung der Gemeinde. Dann rollen die Bagger an.«
»Und? Wird der Gemeinderat nun zustimmen?« Altehuus steckte sich eine Zigarette an und bestellte noch ein Pils.
»Ich hoffe nicht. Hinter den Kulissen findet ein heftiges Tauziehen statt. Im Moment gibt es eine Art Patt unter den zwei, nein, eigentlich sind es drei Fraktionen. Ich meine nicht die politischen Parteien. Die Angelegenheit ist überparteilich.
Da ist zum einen die Gruppe um Peter Ahrndt…«
»Der Apotheker und Heimatforscher? Das ist doch der Enkel von Ehmine Ahrndt, oder?«
»Genau. Die sind strikt gegen den Golfplatz. Wie ich. Dann ist da Wilhelm Steiner.«
»Der die Kneipe im Loog hat? Den kenne ich nicht näher.«
»Hast du auch nichts versäumt. Kam mit seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg als Vertriebener, ist hier hängen geblieben. Steiner leidet bis heute darunter, dass ihn die alteingesessenen Familien nicht als Juister akzeptieren.«
Hendrik Altehuus lachte. »Ist ja auch schwer. Es müssen mindestens drei oder vier Generationen an der Mittelstraße begraben liegen, bis man nicht mehr als Zugereister gilt.«
»Ich glaube nicht, dass Steiner bei dem Gerangel um den Golfplatzbau die treibende Kraft ist. Im Hintergrund zieht da ein Bremer Teehändler namens Hans Wübber die Fäden. Der hat im Loog ein luxuriöses Ferienhaus. Er ist gemeinsam mit Steiner in einer Bürgerversammlung aufgetreten und hat den Abbau von Investitionshemmnissen, wie er es nannte, gefordert. Steiner scheint der Strohmann von Wübber zu sein.
Und schließlich gibt es im Rat noch einige Unentschlossene.
Die schlagen sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite.
Bis jetzt hat keine Fraktion eine eindeutige Mehrheit. Deshalb landet die Änderung der Bauvorschriften auch nicht auf der Tagesordnung einer Ratssitzung. Keine Seite kann sich sicher sein, die Abstimmung zu gewinnen. Sie suchen unter den Unentschiedenen nach weiteren Verbündeten. Das geht jetzt schon seit Monaten so.« Hanssen trank noch einen Schluck Eierpunsch. »Und weißt du, wo sie den Golfplatz bauen wollen?«, beendete er seinen Bericht.
»Keine Ahnung.«
»Am Deich zwischen Loog und Hammersee! Und direkt daneben die Villensiedlung. Nach den Planungen der Investoren soll lediglich der Weg zur Domäne Bill und der Strand für die Öffentlichkeit frei bleiben. Die Domäne Loog wird das Klubhaus.«
»Oh!« Hendrik war überrascht. Die gesamte Insel war Bestandteil des Nationalparks Wattenmeer und der Hammersee lag bereits in der Ruhezone, in der die Natur weitgehend sich selbst überlassen war. Es war gerade diese ungestörte Natur, die die meisten Urlauber auf die Insel zog.
»Verstehe. Ihr befürchtet nicht nur Beeinträchtigungen des Nationalparks, sondern auch Nachteile für den Tourismus.«
»Genau. Nur wenige Restaurants und Geschäfte würden vom Zuzug der Reichen profitieren. Andere würden Einbußen erleiden.«
»Und Steiner hat sein Restaurant im Loog, in der Nähe des Golfplatzes.«
»Eben. Und Wübber gehören dort Grundstücke.«
»Also daher weht der Wind!«
»Genau.« Christian drehte sich zur Theke. »Noch einen Eierpunsch, bitte.«
3
Frierend und ziemlich schlecht gelaunt stapfte Karl-Heinz Schwiebus durch das Schneetreiben. Auf seiner Visitenkarte stand: Immobilienmakler. Er besaß ein kleines Büro in Wanne-Eickel, in das sich nur selten Kunden verirrten, da er sich regelmäßige Zeitungsanzeigen nicht leisten konnte. Die letzte Mietwohnung hatte er im Oktober vermittelt, den einzigen Hausverkauf seiner Karriere vor mehr als zwei Jahren realisiert. Seinen Lebensunterhalt bestritt er im Wesentlichen durch den
Verkauf von Hausratversicherungen und
gelegentliche Serviceleistungen für einen der Großen im Immobiliengewerbe des Ruhrgebietes.
Diese Geschäftsbeziehung war auch der Grund dafür, dass er sich auf Juist herumtrieb.
Was hatten ihm seine Freunde nicht alles vorgeschwärmt vom Winter auf
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