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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Toewerland
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Land gelockten Frauen nicht immer ganz freiwillig hier bleiben. Da würde sich Freiheitsberaubung gut machen.« Die letzten Sätze schrie sie Rainer ins Gesicht. »Wie würdest du dich in einem solchen Prozess entscheiden? Etwa auf Freispruch plädieren?«
    »Wenn Dezcweratsky unschuldig ist, ja.«
    »Wie kann jemand unschuldig sein, der mit der Ausbeutung von Frauen sein Geld verdient? Diese Typen behandeln Frauen als Ware«, wütete Elke. »Das ist entwürdigend!«
    »Mag sein. Aber selbst wenn es so wäre, wie du unterstellst: Auch solche Leute haben das Recht auf einen fairen Prozess.
    Außerdem soll es auch Frauen geben, die sich freiwillig prostituieren.«
    »Wenn du damit auf die so genannten Sexarbeiterinnen anspielst, vergiss es. Diese Art von Feminismus konnte ich noch nie nachvollziehen.«
    »Versteh ich nicht.«
    »Ich bezweifle, dass Frauen freiwillig ihren Körper verkaufen. Und wenn sie das tun, dann nur deswegen, weil wirtschaftliche Not oder meinetwegen auch der irrige Glaube an die schnelle Mark sie antreibt. Aber auch wirtschaftliche Not kann Gewalt sein!«
    »Das schon. Trotzdem haben aber auch Bordellbetreiber Anspruch auf rechtlich einwandfreie Verfahren.«
    »Sicher.« Elke wirkte enttäuscht. »Aber musst ausgerechnet du sie vertreten?«, fragte sie leise.
    »Unsere Vereinbarung…«
    »Unsere? Deine Vereinbarung!«
    »Unser Vertrag. Wir sind ‘ne Sozietät«, knurrte Rainer. »Die Abmachung mit Dezcweratsky sieht in erster Linie juristische Beratung vor: Mietrecht, Arbeitsrecht, allgemeines Vertragsrecht und so. Vorfälle, wie die von dir erwähnten, sind schlecht fürs Geschäft. Und deshalb möchte Dezcweratsky so etwas vermeiden.«
    »Behauptet er. Ich glaube, der macht dir was vor. Und selbst wenn nicht: Mit solchen Geschäften, so legal sie auch sein mögen, will ich nichts zu tun haben. Auch dann nicht, wenn eine Million Kerle täglich für die schnelle sexuelle Befriedigung bezahlen.«
    »Brauchst du auch nicht. Das ist mein Mandat. Und wenn sich Dezcweratsky nicht an die Abmachung hält, werfe ich ihm die Brocken vor die Füße. Aber«, Rainer wedelte mit dem Scheck, »für einen Monat bin ich sein Berater. Mindestens für diese Zeit. Vertrag ist Vertrag.«
    »Leider.« Elke stand auf und sah ihrem Partner in die Augen.
    »Versprich mir, dass du dich nicht kaufen lässt.«
    »Versprochen.«
    »Hoffentlich.« Ohne weitere Worte verließ sie sein Büro.
    Und Rainer war sich wieder einmal nicht sicher, ob er nicht einen Fehler gemacht hatte.
     
    2
    Aus Süden, vom Festland her, versuchte schon seit Tagen eine Nebelwand die Insel zu verschlucken. Der leichte Nordostwind, manchmal etwas auffrischend, kämpfte gegen die Nebelfront und schlug immer wieder neue Breschen in die Wolken. Da keiner der beiden Gegner entscheidende Vorteile erlangen konnte, blieb das Wetter, wie es war: diesig und feucht.
    Die Fähren, die Juist mit Norddeich verbanden, pendelten planmäßig zwischen der Insel und dem Festland. Nur der Flugverkehr der zweimotorigen Propellermaschinen vom Typ Bruten Norman Islander war eingestellt. Die Insulaner und die wenigen Urlauber, die sich über Weihnachten in den Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen verkrochen hatten, nahmen von der fehlenden Flugverbindung nur deshalb Notiz, weil ihre Post und die Zeitungen später als gewöhnlich eintrafen. Die Druckerzeugnisse kamen erst mit der Fähre, die um kurz nach halb drei am Nachmittag im Hafen anlegte.
    Die meisten Fahrgäste der Frisia Neun waren Einheimische.
    Der Dampfer war zu hören, bevor man ihn sah. Dumpf ertönte seine Sirene durch die Nebelschwaden. Erst als das Schiff die Containerverladung an der südlichen Spitze der Hafenanlagen passierte, waren vom Kai aus schemenhaft die Aufbauten der Fähre zu erkennen. Mit langsamer Fahrt näherte sie sich. Das Schiff drehte und schob sich mit dem Heck voran an die Anlegestelle. Die mahlenden Schrauben wühlten das graubraune Wasser im Hafenbecken auf. Gurgelnd schlug es an die Spundwände.
     
    Mit einem sanften Ruck legte Frisia Neun endlich an. Taue wurden an den Pollern festgemacht, rasselnd öffnete sich die Heckklappe. Auf dem Sonnendeck der Fähre standen, in dicke Jacken gehüllt, einige Fahrgäste und hielten Ausschau nach Freunden oder Bekannten. Eine kleine Zugmaschine schleppte die Wagen, in denen das Gepäck der Besucher verstaut war, von der Fähre und stellte sie auf dem Kai ab. Erst dann konnten die Fahrgäste das Schiff verlassen, die Ticketkontrolle

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