Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
Polen 600.000 Zloty. Ein Transferrubel kostet 2.000 Zloty. Mit gefälschten Lieferbescheinigungen kannst du deine schwarz getauschten Zloty in legale 300 Transferrubel umrubeln. Die werden dann wieder für viermarkachtzig Ost je Transferrubel in 1440 Mark Ost umgerubelt und auf das Konto der Ostfirma überwiesen. Die wartet dann nur noch auf die Währungsunion und tauscht dieses Geld in harte 720 Westmark um.
Simsalabim, und du hast das mehr als sechsfache an Gewinn.«
Baumann sah seinen Boss verblüfft an. »Und das ist so gelaufen?«
»Im großen Stil. Das war nur eine der Varianten. Lies die Akte«, er reichte Baumann den Bericht aus Berlin, »und du wirst dich wundern.«
»Um wieviel Geld geht’s denn da?«
»Wo? Bei der EXIMCO und Grohlers oder insgesamt?«
»Nee, mehr so über alles.«
»Über alles? So um die 36 Milliarden.«
»Sag das noch mal! 36 Milliarden?« Baumann klappte der Unterkiefer runter.
»Ja, das ist die offizielle Schätzung der Verluste aus dem Transferrubelgeschäft. Einige weitere Milliarden…«
»Einige weitere Milliarden…?«, keuchte Baumann.
»Ja, einige weitere Milliarden sind in anderen dubiosen Kanälen versickert. Zehn, zwanzig, dreißig oder mehr Milliarden, da kommt es doch schon nicht mehr drauf an. Fakt ist, dass die meisten Delikte Ende des Jahres verjährt sein werden. Und dann ist die Knete weg. Für immer. Es gibt da eine Prüfungsgruppe Währungsumstellung. Die haben von 60.000 Konten erst 8.000 überprüft. Den Rest schaffen die bis Jahresende sicher nicht mehr.«
»Und dafür zahl ich meinen Solidarbeitrag«, stöhnte Baumann. »Und wie hoch soll der Schaden sein, den Grohlers angerichtet hat?«
»Grohlers? Ein relativ kleiner Fisch. Achtzig Millionen, so über’n Daumen.«
Baumann japste nach Luft. »So über ‘n Daumen. Achtzig Millionen. Kleiner Fisch. Mann, Brischinsky, ich kann dir aus unseren Akten Fälle nennen, da wurden Menschen für einen Bruchteil dieser Summe umgebracht.«
»Siehste«, antwortete Brischinsky, »und genau daran muss ich auch die ganze Zeit denken.«
Baumann hatte sich noch nicht von seinem Schock erholt, als der Hauptkommissar aufstand. »Ich geh mal eben pinkeln.
Wenn du nichts mehr zu tun hast, kannst du von mir aus ins Wochenende gehen. Und zwar richtig. Vor Montag will ich dich hier nicht mehr sehen. Das war mein Beitrag zum Thema Fürsorgepflicht der Vorgesetzten. Bis Montag, dann.«
»Tschüs«, sagte Baumann. »Und danke«, schob er noch nach.
Aber sein Chef hatte bereits die Tür geschlossen.
Baumann wollte auch gerade das Zimmer verlassen, als das Telefon schellte. Er fluchte leise, überlegte einen kurzen Moment, ob er überhaupt noch da war und nahm dann doch den Hörer ab.
»Baumann.«
»Hier Rutter, Bildzeitung, Tach, Herr Baumann.«
Die Nervensäge.
»Hören Sie, Herr Rutter, ich hab’s wirklich eilig«, log er.
»Ich will Sie auch nicht lange aufhalten, Herr Baumann, aber haben Sie nicht ein, zwei kleine Informationen für mich?«
Der Kommissar zögerte. Er kannte die Meinung seines Chefs über Rutter, war sich aber andererseits auch sicher, dass er Rutter nicht so schnell abwimmeln konnte wie sein Vorgesetzter. Sein Feierabend würde sich also noch weiter hinauszögern, wenn er Rutter nicht ein paar Brocken hinwarf.
»Also gut, Rutter. Der Tote ist mit einem Mietwagen aus Berlin gekommen. Er war dort bei einer Firma EXIMCO
beschäftigt. Ein Taxifahrer der Firma Krawiecke hat uns zu dem Wagen geführt. Wir ermitteln weiter.«
»Herr Baumann«, drängte Rutter, »das kann doch nicht alles sein. Gibt’s da ‘ne Stasi-Schiene? Was ist mit der Knarre, los, kommen Sie, Baumann, wir haben uns doch immer gut verstanden.«
»Rutter, das war’s. Schönen Tag noch.«
»Gut. Danke, Herr Baumann. Und nichts für ungut.«
Baumann legte auf. Er war sich sicher, Rutter keine Geheimnisse mitgeteilt zu haben. Morgen würde Brischinsky ohnehin eine Presseerklärung herausgeben müssen. Dann war das Revolverblatt eben etwas schneller. Und diese Art von Journalisten wussten ihre Quellen zu schützen. Rutter würde sich eher die Zunge abbeißen, als ihn in die Pfanne zu hauen.
Hoffte er zumindest.
10
Nachdem Esch das Taxi von Kalle an diesem Samstagmorgen übernommen hatte, blieb ihm noch etwas Zeit. Er schnappte sich die Bildzeitung, die Kalle wie jeden Morgen für ihn im Auto liegen gelassen hatte.
Stasi-Killer! stand quer über der ersten Seite. Und darunter: Schalck-Firma verwickelt?
Esch
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