Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
ungefähr. In Dresden war der vorher nicht.«
»Tageszähler kann man auf null stellen.«
»Die schon, aber nicht den Tachostand, zumindest nicht so einfach. Wir haben bei Sixt angerufen und uns den Kilometerstand durchgeben lassen, mit dem der Mieter vor Grohlers den Wagen zurückgegeben hat. Der war wirklich nicht in Dresden. Der ist von Berlin direkt hierhin gefahren.«
»Hmm. Und sonst nichts?«
»Fehlanzeige. Natürlich jede Menge Fingerabdrücke. Das ist aber normal bei einem Mietwagen. Bisher passt keiner der Abdrücke zu unseren Computerdaten. Die Jungs suchen zwar noch, aber ohne große Hoffnung. Der Wagen gibt wohl nicht mehr her.«
»Scheiße. Na gut, war einen Versuch wert. Wir wissen jetzt jedenfalls, wie Grohlers nach Recklinghausen gekommen ist und was er hier gemacht hat. Eiskaffee getrunken und telefoniert. Nur mit wem, wissen wir nicht. Und wir wissen auch nicht, wo der Aktenkoffer und das Handy geblieben sind.«
»Und das will ich heute auch nicht mehr wissen«, antwortete Baumann. »Ich weiß nur, dass bei Dl, D2 und E-Plus kein Handy-Benutzer namens Jürgen Grohlers registriert ist. Und jetzt brauch ich dringend ‘ne Dusche. Und dann ein kaltes Bier und ein Würstchen vom Grill.«
»Kannst du alles haben. Nur später.«
»Weißt du, wie viele Überstunden ich vor mir herschieb?
Wenn das so weitergeht, kannst du für zwei, drei Monate den Job hier alleine machen«, empörte sich sein Assistent.
»Solange brauch ich nämlich fürs Abfeiern.«
»Hier«, Brischinsky schob ihm demonstrativ sein Telefon über den Schreibtisch. »Ruf beim Personalrat an und beschwer dich.«
Baumann sah auf die Uhr. »Herr Hauptkommissar«, sagte er im gespielten Ernst, »jetzt ist es kurz vor zwei. Das sind im Gegensatz zu uns richtige Beamte. Da ist keiner mehr. Die haben schon Wochenende.«
»Eben. Und ohne Personalrat kein Abfeiern. Ich als dein Vorgesetzter ordne an, dass du dich hinsetzt und zuhörst.«
»Hast du eigentlich schon mal was von der Fürsorgepflicht eines Vorgesetzten gehört?«
»Nein, nie. Und jetzt hör zu. Wir haben aus Berlin die Akten über den Betrugsfall bekommen, in dem gegen Grohlers ermittelt wurde.«
»Na und?«
»Grohlers war Geschäftsführer der Firma EXIMCO GmbH.
Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass EXIMCO zum KoKo-Imperium gehört. Was sagste jetzt?«
»Gar nichts. Was ist KoKo?«
»Herr, lass Hirn regnen. Liest du außer dem Kicker und Comics eigentlich sonst noch was? KoKo heißt Kommerzielle Koordinierung. Das war sozusagen ein Firmenkonglomerat der früheren DDR, dessen Hauptaufgabe darin bestand, der DDR
Westdevisen zu beschaffen, ohne Rücksicht auf Verluste. Der große Boss im Hintergrund war ein gewisser Schalck-Golodkowski, der über beste Kontakte zu westdeutschen Politikern verfügte. Kurz bevor ihm die gewendete DDR den Prozess machen konnte, hat der sich nach Bayern abgesetzt und erfreut sich da heute noch bester Gesundheit, soweit mir bekannt ist. Die Jungs der KoKo waren und sind Experten auf dem Gebiet des Ausnutzens von Gesetzeslücken, Manipulationen, Schiebereien. Und der Grohlers…«
»… war einer von ihnen«, warf Baumann ein. »Richtig?«
»Vermutlich. Die Staatsanwaltschaft Berlin wirft nun der EXIMCO und deren Geschäftsführer Grohlers vor, sich im großen Stil am Umrubeln beteiligt zu haben.«
»Umrubeln?«, fragte Baumann. »Was ist das denn?«
»Eine Lizenz zum Gelddrucken für die, die rechtzeitig vor der Währungsunion vom vorgesehenen Umtauschkurs der DDR-Mark erfahren haben.«
»Versteh ich nicht.«
»Genial einfach. Und fast ohne Risiko. Pass auf. Alle Warengeschäfte im RGW, das heißt Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, das war so ‘ne Art EWG für den Ostblock, wurden in Transferrubeln abgewickelt, die von der sowjetischen Zentralbank eingetauscht und dann an die Staatsbanken der einzelnen Länder überwiesen wurden. Da haben sich die Firmen ihr Geld in den Landeswährungen wieder abgeholt.«
»Na und?«
»Ich erklär’s dir. Nur Firmen wie die EXIMCO, die Waren aus der DDR in die Staaten des RGW lieferte, konnten in Transferrubel abrechnen. Nun kennen die Altgenossen viele andere Altgenossen, die gerne gegen eine kleine Kostenerstattung bereit sind, gefälschte Lieferbescheinigungen auszustellen. Und jetzt kommt die große Stunde der
›Umrubler‹. Stell dir vor, auf einem geheimen Devisenkonto der KoKo liegen vor der Währungsunion einhundert Westmark. Dafür bekommst du auf dem Schwarzmarkt in
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