Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
Millionen. Wo, frage ich mich, versteckt man Millionen? Im Wandschrank doch wohl nicht.«
»Nein, sicher nicht. Grohlers und Rallinski waren zwar kriminell, aber eben auch Geschäftsleute. Die haben ihre Beute nicht vergraben. Nein, das Geld ist irgendwo geparkt.
Unverdächtig als Firmengeld oder so was getarnt, vermute ich.«
»Und die Unterlagen darüber hatte Grohlers.«
»Exakt.«
»Und die vermuten die Täter jetzt bei Esch«, stellte Edding fest.
»So isses. Deshalb war Rallinski entbehrlich. Aber da Esch behauptet, diese Unterlagen nicht zu haben, bleibt nur das Problem…«
»… wer die Unterlagen dann hat«, ergänzte Edding.
»Und wie wir Lopitz, Porfireanu und Thassau kriegen.«
Brischinsky musterte Edding schweigend.
Der erwiderte seinen Blick und sagte dann schließlich:
»Meinen Sie das, was ich meine?«
»Wenn Sie Esch meinen, dann ja.«
»Jetzt verstehen Sie ja endlich, was ich meine«, entgegnete Edding ernst. Er sah auf seine Armbanduhr. »Wie wäre es mit Mittagessen?«
»Einverstanden.«
»Unsere Kantine oder Italiener?«
»Für einen erfolgreichen Kriminalbeamten eine ziemlich blöde Frage, Herr Kollege«, lachte Brischinsky.
Als die beiden Hauptkommissare in Eddings Büro zurückkehrten, informierte sie ein Mitarbeiter darüber, dass Peter Thassau vor über einem Jahr aus der Allee der Kosmonauten 83 ausgezogen war. Keiner der Nachbarn wusste wohin. Beim örtlichen Einwohnermeldeamt ging man, da keine Abmeldebescheinigung eingegangen war, immer noch davon aus, dass der Gesuchte seinen Wohnsitz in Marzahn hatte.
Außerdem lag der ballistische Vergleichstest der Kugeln vor, die in den Körpern der Toten Grohlers und Rallinski gefunden worden waren. Beide Geschosse stammten aus derselben Waffe, einer Tokarev 32.
»So langsam«, bemerkte Brischinsky lakonisch, »schließt sich die Indizienkette. Was meinen Sie?«
»Dasselbe wie Sie. Leider nur Indizien. Aber wir haben ja den Esch.«
»Ja«, antwortete der Hauptkommissar aus Recklinghausen,
»wir haben ja den Esch. Leider nur den.«
39
Nach achtstündiger Zugfahrt erreichte Rainer Esch am späten Dienstagnachmittag den Hauptbahnhof in Recklinghausen. Er wurde schon von einem Kripobeamten erwartet und zu seiner Wohnung gebracht. An der gegenüberliegenden Straßenseite stand im absoluten Halteverbot mit demonstrativer Auffälligkeit ein Streifenwagen der Polizei, besetzt mit zwei Beamten, die ihn sorgfältig musterten.
Die sechs Tage Abwesenheit hatten seinen Briefkasten mit Werbung aller Art überfluten lassen. Einen Teil der Reklameprospekte und die Tageszeitungen hatten vermutlich seine Nachbarn vor seiner Wohnungstür deponiert. Nach einer groben Sichtung des Papierstapels entschied Esch, dass nichts dabei war, was sofortige Entscheidungen erforderlich machte.
Also landete der ganze Berg zunächst ungeöffnet auf dem Küchentisch.
Esch fischte seine kaum getrockneten, schlammigen Klamotten vom Vortag aus den Plastiktüten und warf sie zu der Urlaubswäsche in die Badewanne. Dann inspizierte er seine Lederjacke, die ziemlich stark ramponiert war. Einen Moment erwog er, sich endgültig von dem guten Stück zu trennen. Dann entschied er sich dafür, einen Reinigungsversuch zu unternehmen. Es gibt zwei Dinge, dachte Esch, die ein Mann nie verleihen sollte: Sein Auto und seine Lederjacke.
Um den Reinigungsprozess zu vereinfachen, zog Esch sich vollständig aus und stieg, nur mit der Lederjacke bekleidet, unter die Dusche, wo er sich und die Jacke einseifte und gründlich abgespülte. Danach landete die Jacke auf einem Bügel und fand über der Badewanne einen Platz zum Trocken.
Esch hoffte, dass sich mit Lederwachs und Geduld der ursprüngliche Zustand seines liebsten Kleidungsstückes wieder herstellen lassen würde.
Nur mit dem Bademantel bekleidet brühte er einen Espresso auf und machte es sich mit Kaffee und Zigarette am Küchentisch bequem, um seine Post durchzusehen. Er hatte gerade den ersten Schluck des heißen Getränks intus, als das Telefon klingelte. Fluchend stand er auf. Bevor er jedoch den Apparat im Flur erreichte, hörte er, wie sich der Anrufbeantworter einschaltete. Als Rainer den Hörer abnahm und damit den Ansagetext unterbrach, vernahm er nur noch das Knacken am anderen Ende der Leitung, das unzweifelhaft anzeigte, dass der andere Teilnehmer nicht gewillt war, mit einer Maschine zu kommunizieren.
Verärgert knallte Esch den Hörer auf das Gerät. Auch er selbst hasste Anrufbeantworter,
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