Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
sieht den Esch am liebsten von hinten. Und hier, ich glaub, ich spinne.
›Schläft unsere Polizei? Der Leiter der Ermittlungen, Hauptkommissar Brischinsky von der Kripo Recklinghausen, ist seit einigen Tagen nicht zu sprechen. Zufall? Da laufen Mörder frei herum und die Kripo glänzt durch Abwesenheit.
Skandalös! Für was, fragen wir uns, zahlen wir eigentlich immer mehr Steuern? Wer hat hier eigentlich was zu verbergen?‹ Da kann einem ja übel werden.« Brischinsky warf die Zeitung in den Papierkorb.
Sein Kollege grinste. »Dann schauen Sie mal lieber hier rein.
Zum Abregen.«
Mit einem Stirnrunzeln blätterte Hauptkommissar Brischinsky in der schriftlichen Aussage von Rainer Esch, der ein Phantombild beigelegt war, das der Polizeizeichner nach seinen Aussagen angefertigt hatte.
Dann knallte Brischinsky die Unterlagen auf Eddings Schreibtisch und stöhnte: »Das kann doch wohl nicht wahr sein. So ‘ne Scheiße gibt’s doch gar nicht, das gibt’s doch wohl gar nicht.«
Edding sah ihn erstaunt an. »Irgendwas nicht in Ordnung, Herr Brischinsky?«
»Nee, also, ich weiß nicht.« Brischinsky stockte. »Da läuft so
‘n blutiger Amateur durch die Gegend, liefert uns ‘ne Leiche und die mutmaßlichen Täter zweier Morde quasi auf dem Silbertablett und im Grunde tappen wir immer noch im Dunkeln. Mir gefällt das alles nicht, gefällt mir ganz und gar nicht.«
Der Recklinghäuser griff spontan zum Telefonhörer und wählte, besann sich aber dann doch noch. »Ich darf doch, oder?«
»Tun Sie sich keinen Zwang an.«
»Brischinsky. Baumann, hör mir mal ganz genau zu, ich sag dir das wirklich nur einmal. Ab sofort werden keine Informationen mehr von dir im Fall Grohlers weitergegeben.
Vor allem nicht an die Presse. Unter keinen Umständen, klar?
Denk dran, eine weitere Chance hast du nicht. Ich hoffe, dass du das weißt. Natürlich auch nichts ans BKA. Vor allem nichts an den Karrieristen Staller. Kapiert? Läuft alles über mich.« –
»Dann ist’s ja gut. Das war’s für heute. Morgen komme ich zurück. Kannst mich ja am Flughafen in Düsseldorf abholen.
Bin gegen drei da.« – »Gut. Danke.«
Der Hauptkommissar aus dem Ruhrgebiet stützte seinen Kopf in beide Hände.
Edding sah seinen Kollegen besorgt an. »Ist was, Herr Brischinsky? Kann ich Ihnen helfen?«
»Helfen? Ob Sie mir helfen können?« Brischinsky schüttelte leicht den Kopf. Doch dann, als hätte er sich zu einer Entscheidung durchgerungen, sagte er: »Doch, ich glaube schon. Ja, Herr Edding, Sie können mir helfen. Kommen Sie, gehen wir spazieren. Ich brauche dringend etwas frische Luft.
Dabei können wir uns ja weiter unterhalten.«
Zwei Stunden später kehrten die beiden Beamten in Eddings Büro zurück. Auf dem Schreibtisch lag der Obduktionsbericht.
Edding blätterte in dem Ordner und sagte dann zu Brischinsky: »Rallinski wurde von hinten erschossen.
Unterhalb des linken Schulterblattes ist die Kugel eingedrungen und hat vermutlich die rechte Herzkammer zertrümmert. Rallinski war sofort tot. Die Tatwaffe ist eine Tokarew 32 mit Schalldämpfer, Kaliber 7,62.«
»Wie bei Grohlers. Vermutlich identisch. Haben Sie das Geschoss?«
»Haben wir. Wenn unsere Ballistiker damit fertig sind, können wir die Kugeln vergleichen. Dann wissen wir sicher, ob mit dieser Waffe beide Opfer erschossen wurden.«
Gedankenverloren blätterte Brischinsky in dem Terminkalender, den Rainer Esch den Kripobeamten ausgehändigt hatte.
»Haben Sie das schon gesehen«, fragte er Edding, »die Eintragung vom 20. August? Grohlers in M. steht da. Das war doch der Tag seiner Ermordung, oder? Staller hat uns berichtet, dass Grohlers und er für diesen Tag in Münster verabredet waren. M wie Münster. Grohlers wollte dem BKA dort die Unterlagen übergeben. Und für den selben Tag hat Rallinski notiert: ›L. 20.00 Lager Saganer Straße.‹ L. für Lopitz? Was meinen Sie?«
»Wahrscheinlich…«
»Dann war der ominöse L. am 20. August also abends in Berlin und nicht in der Nähe des Tatortes in Recklinghausen.«
»Wenn die Eintragung stimmt.«
»Wenn sie stimmt…«
Brischinsky sichtete weiter den Kalender. Nach einigen Minuten legte er den Terminplaner zur Seite und sagte: »Viel mehr gibt das Ding nicht her. Rallinski wusste also von dem Termin, wahrscheinlich, weil er die Telefonate von Grohlers abgehört hat.«
»Sicher können wir uns erst sein, wenn die wichtigsten Kassetten abgeschrieben sind. Wir werden darauf allerdings noch etwas
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