Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
keine Ahnung. Warum willst du das wissen?«
»Na ja, mal bei ihm nachfragen, wann er gedenkt, hier wieder aufzutauchen. Ich brauch den doch als Fahrer. Mit Aushilfskräften, das ist nichts. Sagst du mir bitte Bescheid, wenn er sich bei dir meldet?«
»Mach ich.«
Ein eingehender Kundenanruf unterbrach ihre Unterhaltung.
Krawiecke sah auf den Hof und erkannte das Taxi Nummer vier, den Wagen von Esch und Kalle. Er stürmte nach draußen.
»Was soll das denn?«, brüllte er schon von weitem den aussteigenden Aushilfsfahrer an. »Es ist noch eine halbe Stunde bis Schichtwechsel. Was machst du schon hier?«
»Hab ich doch heute Morgen gesagt, dat ich noch wat vor hab. War sowieso tote Hose. Kaum Trinkgeld. Dat war heute quasi für Nüsse. Nich mein Ding. Können wir jetzt abrechnen?«
»Kannst du morgen noch mal fahren?«
»Können schon, aber wollen nicht. Jedenfalls nicht für ‘n schlappen Hunni. Musste noch wat drauf packen. Als Garantiesumme gewissermaßen. Und die halbe Stunde heute geht natürlich auch auf dich, klar?«
Krawiecke kochte innerlich. »Gut. Einhundertfünfzig?«
»Gebongt. Un jetzt mach ma voran. Ich will weg.«
In diesem Moment kam Kalle, die Ablösung, auf das Gelände der Taxifirma.
»Hör mal, Kalle«, blaffte ihn Krawiecke in seiner Wut an.
»Du hast ja noch was Zeit. Mach mal den Wagen gründlich sauber, der hat’s nötig.«
»Aber Hans«, versuchte Kalle zu protestieren. »Das ist doch immer Sache des übergebenden, nicht die des übernehmenden Fahrers.«
»Der hat keine Zeit mehr. Mach mal, wirst dir schon keinen Zacken aus der Krone brechen. Und denk dran«, erinnerte ihn sein Chef, »keine der üblichen Schnellreinigungen. Auch unter den Polstern. Das ist schon lange überfällig.«
»Ja, ist gut.«
Seufzend machte sich Kalle an die Arbeit. Er leerte den Aschenbecher, schlug die Fußmatten aus und fuhr den Wagen dann zur Garage, um den Staubsauger anzuschließen. Zuerst reinigte er die Vordersitze, dann den Fußraum unter dem Fahrer-und Beifahrersitz. Schließlich saugte er die Polster der Rückbank und die Spalte zwischen Rückenlehne und Sitzfläche ab. Plötzlich machte der Staubsauger ein Geräusch, als ob ihm die Luft abgedreht würde.
Kalle stutzte, schaltete den Sauger aus und suchte mit der Hand in der Ritze. Er fühlte eine schmale, rechteckige Kunststoffhülse, die sich, nachdem er sie aus den Polstern befreit hatte, als Computerdiskette entpuppte.
Interessiert las Kalle das aufgeklebte Etikett. Fa. EXIMCO
GmbH stand da in Druckbuchstaben. Einfach nur Fa. EXIMCO
GmbH. Einem ersten Impuls folgend, wollte Kalle die Diskette zu Krawiecke ins Büro bringen, zögerte dann aber. EXIMCO, fiel ihm ein, hieß die Firma, bei der der ermordete Fahrgast von Rainer als Geschäftsführer angestellt gewesen war. Eine Diskette in dem Wagen, in dem der Tote zuletzt gesessen hatte, war doch sicherlich für die Polizei interessant. Oder für Rainer.
Den würde er zuerst fragen. Und bis er das tun könnte, würde er über die Diskette kein Sterbenswörtchen verlieren, vor allem nicht gegenüber seinem Chef.
Kalle schleppte den Staubsauger an seinen Platz zurück und fuhr mit Taxi Nummer vier und einer Diskette in der Jackentasche zehn Minuten vor seinem regulären Schichtbeginn vom Hof. An der ersten Telefonzelle hielt er an, betrat die Zelle und wählte Rainers Nummer. Als Rainers Stimme auf dem Anrufbeantworter ihn aufforderte, nach dem Piepton zu sprechen, sagte er: »Hallo, Rainer, Kalle hier. Ich hab da in unserem Taxi eine Diskette gefunden. Steht EXIMCO drauf. Ich dachte, das interessiert dich. Außer uns beiden weiß keiner von dem Ding.«
Ihm kam ein Gedanke.
»Ich bring sie zu Stefanie. Wenn sie nicht da ist, werf ich sie bei ihr in den Briefkasten. Bis dann. Tschüs.«
Zufrieden mit seinem Einfall machte er sich auf den Weg zur Rainer Eschs Exfreundin.
38
»Hier, lesen Sie mal.« Hauptkommissar Edding hielt seinem Kollegen aus dem Ruhrgebiet die aktuelle Ausgabe der Bildzeitung unter die Nase. »Ihr Freund Rutter hat mal wieder zugeschlagen.«
Brischinsky nahm die Zeitung und verzog das Gesicht. »So was von Halbwahrheiten. Und die Leute glauben das. Alles ist erlaubt, was die Auflage steigert. ›Immer noch keine Spur vom verschwundenen Taxifahrer. Sein Chef, der erfolgreiche Taxiunternehmer Hans Krawiecke (45), ist verzweifelt. Er ist mein bester Fahrer, Montag war sein Urlaub zu Ende. Rainer, wir brauchen dich.‹ So ‘n Quatsch. Krawiecke
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