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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
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Notarzt den Rettungssanitätern mit einem knappen Nicken signalisierte, dass er seine Untersuchung beendet hatte und sie nicht mehr benötigt wurden.
    »So wie es aussieht, kein Fremdverschulden. Wenn Sie das meinen.«
    »Sicher?«
    »Was erwarten Sie? In der Dämmerung und mitten im Wald?
    Der Tote muss erst genau untersucht werden. Sie kennen doch die Vorschriften.«
    Die Spurensicherer begannen damit, das Gelände abzusperren. Routine, wenn eine Leiche in freier Wildbahn gefunden wurde. Auch wenn es keine unmittelbar sichtbaren Anhaltspunkte für ein Kapitalverbrechen gab. Scheinwerfer erhellten die Szenerie.
    »Wären Sie trotzdem so freundlich und würden mir Ihre vorläufige Meinung mitteilen?« Die Beamtin war sauer. Ein Toter kurz vor Beendigung ihrer Nachtschicht. Und dann auch noch an der Stadtgrenze Hernes. Zweihundert Meter weiter und die Recklinghäuser Kollegen wären zuständig gewesen.
    Der Arzt blieb stehen. »Nach meiner Meinung Herzschlag.
    Beim Joggen.« Er hob beide Hände. »Aber bitte, nageln Sie mich später nicht darauf fest.«
    »Keine Angst. Wie alt ist der Tote?«
     
    »Um die dreißig. Auf den ersten Blick in guter körperlicher Verfassung. Kein Übergewicht, sportlich. Plötzlicher Herztod erscheint mir am wahrscheinlichsten.«
    »Kommt das oft vor?«
    »Oft ist relativ. Eine der typischen Todesursachen für Männer in diesem Alter. Stress, zu wenig Bewegung…«
    »Bewegungsmangel? Aber der Mann scheint doch regelmäßig zu joggen. Sehen Sie doch mal die Kleidung an.«
    Der Arzt lachte leise. »Wissen Sie, wie viele Freunde ich habe, die sich ein sündhaft teures Fahrrad gekauft haben, um sich endlich körperlich zu ertüchtigen? Und nun steht das Gerät nutzlos im Keller.«
    Katharina Thalbach verstand, was er meinte. »Wie lange liegt er schon hier?«
    »Ich bin wirklich kein Experte. Erkundigen Sie sich beim Gerichtsmediziner, der…«
    »… noch nicht hier ist. Deswegen frage ich Sie.«
    Der Notarzt seufzte. »Also gut. Nach dem Grad der Leichenstarre zu urteilen… einige Stunden.«
    »Geht es nicht etwas genauer?«
    »Sicher.«
    »Ja, dann bitte.« Katharina Thalbach hasste es, wenn sie Leuten die Würmer einzeln aus der Nase ziehen musste.
    »Habe ich mich eben unklar ausgedrückt? Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, sondern Rettungsmediziner.
    Suchen Sie sich jemanden, der entsprechend ausgebildet ist, und der sagt Ihnen alles, was Sie wissen wollen. Fast alles«, schränkte der Arzt ein. »Auch den vermutlichen Todeszeitpunkt. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe noch etwas anderes zu tun.« Der Mediziner drehte sich um, steckte sich eine Zigarette an und ließ die Beamtin stehen.
    Thalbach widerstand der Versuchung, ihre schlechte Laune weiter an dem Kerl auszulassen. Im Grunde hatte er ja Recht.
     
    Die Polizistin ging zu einem ihrer uniformierten Kollegen und zeigte in den Wagen. »Ist das die Frau, die die Leiche gefunden hat?«
    »Ja.«
    »Was sagt sie?«
    »Nichts. Sie ist stumm.«
    »O Gott.« Katharina Thalbach war bestürzt. »Kann sie sich verständigen?«
    »Mit Zeichensprache.«
    »Die keiner von uns hier versteht«, mutmaßte die Beamtin.
    »Wir haben schriftlich kommuniziert«, berichtete der Uniformierte und präsentierte stolz eine Loseblattsammlung.
    Thalbach ignorierte die Zettel. »Sie haben ihre Adresse?«
    Der Beamte nickte.
    »Gut. Bringen Sie sie auf das Präsidium. Wir müssen ihre Aussage aufnehmen. Und lassen Sie einen
    Gebärdendolmetscher… Nein, warten Sie. Ich werde mich selbst darum kümmern.« Sie griff zum Handy.
    Eine halbe Stunde später informierte sie einer der Spurensicherer über erste Ergebnisse. »Kein Hinweis auf die Identität des Toten. Wir haben seine Prints genommen. Es gibt keine sichtbaren Verletzungen. Es scheint in der Tat so, als ob der Mann gelaufen und plötzlich einfach umgefallen ist. Im Grunde ein schöner Tod, oder?« Der Kollege sah fast glücklich aus.
    »Wie man’s nimmt. Sonst noch etwas?«
    »Nichts. Ich glaube, Sie können den Aktendeckel schnell schließen.«
    So sah es aus. Ein John Doe, die unbekannte Leiche. Was jetzt folgte, war Routine. Das Ergebnis der Obduktion abwarten, die Fingerabdrücke durch den Computer laufen lassen, eingehende Vermisstenmeldungen prüfen und unter Umständen das Bild des Toten in den Lokalausgaben der Tageszeitungen der umliegenden Städte veröffentlichen.
    Katharina Thalbach sah auf die Uhr. Noch eine Stunde bis Schichtwechsel.
     
    6
    Rüdiger Brischinsky

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