Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
Vom Netzwerk:
Kirsten Schubert fragen, ob sie weiß, bei welchem Zahnarzt ihr Vater in Behandlung war.«
    »Steht die Nummer des Arztes denn nicht in Bauers Telefonbuch?«
    Brischinsky schüttelte den Kopf.
    »Was geben die Bilder der Leiche her?«, wollte Baumann wissen.
     
    »Nicht viel. Man braucht schon etwas Fantasie, um zu erkennen, dass das verkohlte und verformte Stück Fleisch ein Mensch gewesen ist.« Er schob die Mappe zu seinem Assistenten. »Möchtest du dir das antun? Aber dann schmeckt dir dein Mittagessen nicht mehr.«
    Baumann lehnte dankend ab.
    »Was hast du über Bauer herausgefunden?«
    »Bauer wurde am 2. April 1937 in Danzig geboren. Seine Eltern waren nach Kriegsende in Recklinghausen gemeldet.«
    »Flüchtlinge?«
    »Vermutlich. 1959 hat er geheiratet. Seine Frau Martha verstarb 1996. Er hat eine Tochter, Kirsten, die…«
    »Komm zum Wesentlichen«, unterbrach ihn Brischinsky ungeduldig.
    »Bauer wurde zwei Mal verurteilt.«
    »Ach?«
    »Im April 1956 hat er drei Monate auf Bewährung bekommen. Eine Kneipenschlägerei. Als die vom Wirt alarmierten Polizisten eintrafen, hat sich Bauer auch mit denen angelegt. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Nichts Ernstes.«
    »Und die zweite Verurteilung?«
    »Ein halbes Jahr später. Wieder im Suff. Dieses Mal aber Sachbeschädigung. Ein Wirt in der Innenstadt hatte ihn an die Luft gesetzt, weil er genug getrunken hatte. Aus Wut hat er einen kleinen Mülleimer durch das Fenster geworfen. Einen Monat Knast und einhundert Mark Geldstrafe.«
    »Einen Mülleimer durchs Fenster. Sieh mal an. Das kenne ich doch irgendwoher.«
    Baumann griente breit. »Politiker brüsten sich gerne mit ihren Jugendsünden.«
    »Sonst noch etwas?«
    »Nein. Nach seiner Heirat wurde Bauer solide. Zumindest in unseren Akten.«
     
    »Der gute Einfluss der Frauen. Womit wir beim Thema wären. Du wolltest mir heute Morgen etwas über deine neue Freundin erzählen. Jetzt wäre die Gelegenheit.«
    »Gar nichts wollte ich.«
    »Schade. Aber das holen wir nach. Was ist mit den Lehmanns?«
    »Klaus Lehmann wurde 1951…«
    »Lass die biografischen Daten bitte weg.«
    »Dann sind wir fertig. Keine Einträge über beide.«
    »Hm. Dann werden wir uns wohl oder übel auf den Weg machen und den Lehmanns in Datteln einen Besuch abstatten müssen.«
    »Vor oder nach dem Mittagessen?«
    »Nachher.«
    »Besondere Wünsche?«
    »Ich nehme die Kanzlerplatte.«
    »Die was?«
    »Currywurst und Pommes.«
     
    7
    Snoopy lehnte an einer der Säulen am Nordausgang des Essener Hauptbahnhofs und wartete auf Freier. Mit zittrigen Händen drehte er sich eine Zigarette. Er sah in das Päckchen.
    Auch sein Tabakvorrat ging bedrohlich zur Neige. Snoopy war gertenschlank, fast dürr, und mit einer hautengen schwarzen Lederhose, einem ebenfalls schwarzen Shirt, das seinen Bauchnabel zeigte, und – trotz der Hitze – hochgeschnürten, klobigen Stiefeln bekleidet. Seinen Hals schmückte eine kleine geballte Faust aus Silber, die von einem dünnen Lederband gehalten wurde. An seinem linken Handgelenk trug er ein geflochtenes, mehrfarbiges Band.
    Der Junge tastete nach dem Briefchen in seiner Tasche. Stoff für einen Schuss. Nur noch für einen. Das Äitsch reichte höchstens für zwei Stunden. Wenn er jetzt drückte, machte er spätestens am Nachmittag den Affen. Es war besser, er wartete. Noch hatte er sich unter Kontrolle. Er leckte den Klebestreifen und rollte die Zigarette ein letztes Mal durch die Finger. Dann steckte er sich die Fluppe an. Gierig nahm er den ersten Zug. Das Nikotin half nur wenig. Er brauchte Knete.
    Und zwar dringend.
    Abschätzend taxierte er die Männer, die an ihm vorbei in den Bahnhof eilten und ihn keines Blickes würdigten. Er strich sein langes blondes Haar aus dem Gesicht und stellte sich in Pose.
    Einen Freier, verdammt. Irgendeinen Freier.
    Snoopy war siebzehn. Schon fast zu alt für die Szene. Mit zwölf von zu Hause weggelaufen, seitdem ununterbrochen auf Trebe. Mit vierzehn hatte er sich den ersten Schuss gesetzt, kurz danach den ersten Kunden bedient. Zwei Jahre später brachte Snoopy seinen ersten Entzug hinter sich. Dabei hatten die Ärzte festgestellt, dass er positiv war. Vermutlich waren es die Spritzen, durch die er sich das Virus eingefangen hatte. Als er die Diagnose hörte, hatte er zunächst die halbe Nacht geheult, dann seine Sachen gepackt und war wieder abgehauen, zurück auf die Straße. Ein Freund hatte ihm ein halbes Gramm abgegeben und am nächsten Abend war alles so wie

Weitere Kostenlose Bücher