Zweyer, Jan - Rainer
Arbeitsplatz kam er an einer offen stehenden Tür vorbei. Das Büro der Kollegen Pauly und Kossler, der eine im Krankenhaus, der andere im Sommerurlaub. Und gut sichtbar, fast zum Greifen nah, befand sich deren nagelneue Kaffeemaschine. Brischinsky zögerte keinen Moment. Sonntagmorgen und kein Kaffee. Dieser Zustand musste geändert werden.
Baumann sah erstaunt auf, als sein Vorgesetzter mit der Kaffeemaschine unterm Arm ihr Büro betrat. »Woher hast du das Ding?«
»Kurzzeitig ausgeliehen.«
»Von wem?«
»Das Gerät stand in Paulys Büro und fühlte sich einsam.«
»Das ist doch nur zwei Türen weiter. Warum kochst du den Kaffee nicht dort?«
»Willst du ständig mit der Kanne zwischen den Büros pendeln?«
»Wieso ich?«, fragte Baumann, bekam aber keine Antwort.
Brischinsky stellte sein Beutestück auf dem Schreibtisch ab und sah sich suchend nach einer freien Steckdose um. Er fand keine. Kurz entschlossen riss er den nächsten Stecker heraus und versorgte die Maschine mit Strom. »So.« Er drückte Baumann die Kanne in die Hand. »Hol du bitte das Wasser.
Ich fülle den Kaffee ein.«
Der Kommissar schüttelte energisch den Kopf. »Nee. Ich trinke Tee, wie du siehst. Du willst doch das Zeug.« Er stellte die Kanne wieder hin. »Dann mach ihn dir auch selbst.«
Brischinsky zeigte auf den Pantoffel, der seinen verletzten Fuß zierte. »Ich bin verwundet.«
»Aber gerade konntest du…«
»Deshalb tut mir auch jetzt alles weh. Wenn du dann so freundlich wärst…« Er schob die Kanne wieder zurück zu Baumann. Murrend machte sich der auf den Weg.
Zehn Minuten später lehnte sich Brischinsky in seinem Stuhl zurück, vor sich einen Pott dampfenden Kaffee und eines der Sonntagsblättchen. Der Hauptkommissar gähnte herzhaft. Er verspürte den schwer zu bekämpfenden Drang, eine Zigarette zu rauchen.
»Gibt es schon etwas Neues von der Spurensicherung?«, fragte er Baumann.
»Ja. Der Verdacht einer Gasexplosion hat sich bestätigt. An der Gasleitung im Keller wurde manipuliert. Der Prüfstutzen am Zähleranschluss ist abgeschraubt worden.«
»Wozu dient so ein Teil?«
»Bin ich Installateur? Steht hier so.«
»Aha. Und womit macht man das? Mit Spezialwerkzeug?«
»Würdest du einen Maulschlüssel oder eine Pumpenzange als Spezialwerkzeug bezeichnen?«
»Nee. Eigentlich nicht.«
Baumanns Telefon klingelte. Als er das Gespräch beendet hatte, sagte er: »Das war die Einsatzzentrale der Feuerwehr.
Der Anruf gestern Abend wurde von einer Telefonzelle am Hauptbahnhof geführt. Wir bekommen den Mitschnitt im Laufe des Tages.«
»Hm. Und der Tote?«
»Ich habe telefonisch bei den Hauseigentümern nachgefragt.
Das Haus gehört den Apothekern. Eine Familie Lehmann aus Datteln. Der Mieter, dieser Theo Bauer, wollte an diesem Wochenende zu seiner Tochter nach Dülmen fahren.«
»Und?«
»Nichts ›und‹. Lehmanns wussten nicht, wie die Tochter heißt.«
»Wieso?«
»Sie ist verheiratet«, erklärte Baumann.
»Verstehe. Und sonstige Verwandte?«
»Soweit wir wissen, Fehlanzeige. Ich habe alle Bauer, die ich im Recklinghäuser Telefonbuch gefunden habe, angerufen.
Ohne Ergebnis.«
»Was sagt die Gerichtsmedizin?«
»Im Moment noch nichts.«
Brischinsky gab sich einen Ruck. »Dann fahren wir zur Schulstraße. Wenn die Spurensicherung in das Gebäude darf, gilt das ja wohl auch für uns. Wir sehen uns die Wohnung von Bauer an. Vielleicht finden wir dort einen Hinweis auf den Nachnamen der Tochter.«
»Sofort?«
»Wann sonst?«, fragte Brischinsky zurück.
»Was ist mit deiner Verletzung?«
»Schon wieder besser.«
»Und dein Kaffee?«
»Kann warten.«
Baumann verstand die Welt nicht mehr. Kopfschüttelnd folgte er seinem Chef auf den Flur.
Die vollständige Sperrung der Straße war mittlerweile aufgehoben worden. Nur unmittelbar vor dem halb zerstörten Gebäude blockierte ein Absperrzaun eine Fahrbahnhälfte. Die Besatzung eines Polizeifahrzeuges sicherte den Unglücksort.
Hinter dem Gebäude waren Bauarbeiter damit beschäftigt, Schutt zu räumen, um einem Kranwagen freie Fahrt zu verschaffen.
»Was machen die hier?«, erkundigte sich der Hauptkommissar bei einem seiner uniformierten Kollegen und zeigte auf den Kran.
»Die brauchen das Gerät, um Hydraulikstützen aufzustellen«, antwortete der Beamte. »Der Sachverständige, der die Statik beurteilt, hat gemeint, dass das Haus nicht abgerissen werden muss. Aber die Decken müssen sicherheitshalber abgestützt werden, bis die
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