Zweyer, Jan - Rainer
Morgen die Anwaltskanzlei von diesem Esch heimgesucht und mit einer Pistole herumgeballert. Mühlenkamp ist verletzt, aber nicht lebensgefährlich. Sonst ist anscheinend keine Person ernsthaft zu Schaden gekommen.«
»Er hat was?«
»Mehr weiß ich auch nicht. Ein Streifenwagen holt mich in etwa einer halben Stunde an der Kreuzung da hinten ab. Ich komme so schnell zurück, wie ich kann.«
Baumann brauchte einen Moment, um sich von dem Schock zu erholen. »Es kommt kein Kollege als Ersatz?«
»So ist es.«
»Dann soll ich die Observation hier allein durchführen?
Rüdiger, das ist gegen alle Vorschriften, das…«
»Meinst du, ich weiß das nicht«, blaffte Brischinsky zurück.
»Die anderen Kollegen sind noch nicht wieder im Dienst. Und ich kann ja schlecht einen uniformierten Polizeimeister zur Anstellung an deine Seite setzen, oder? Hast du einen besseren Vorschlag?«
Den hatte Baumann nicht. Und seinen Morgenkaffee konnte er jetzt endgültig vergessen.
61
Wie lange er auf der Treppe gesessen hatte, wusste Rainer später nicht mehr. Irgendwann rannten Polizeibeamte an ihm vorbei und jemand sprach hektisch in ein Funkgerät. Esch verstand nur Fetzen der Meldung. Irgendetwas von einer Schussverletzung. Und einem Notarztwagen.
»Sie halten sich zu unserer Verfügung«, rief der Beamte ihm zu. Der Anwalt nickte.
Als er wenig später wie in Trance aus der Tür trat, lief Elke mit tränenüberströmtem Gesicht auf ihn zu.
Sie blieb, am ganzen Körper zitternd, vor ihm stehen und sah ihn einen Moment mit blitzenden Augen an. Dann versetzte sie ihm mit aller Kraft eine schallende Ohrfeige.
»Du… du…«, schluchzte sie, stockte und ließ offen, wie ihr Statement enden sollte.
Rainer entschied sich für eine freundliche Variante aller denkbaren Reaktionen, streckte seine Hand aus und ergriff zögernd ihre Schulter. Als Elke keinen Widerstand leistete, zog er sie sanft zu sich heran und nahm sie vorsichtig in den Arm.
»Entschuldige«, flüsterte er schuldbewusst in ihr Ohr. »Bitte verzeih mir.«
Sie blieb spröde. Als er sie küssen wollte, drehte sie wortlos ihren Kopf zur Seite. Dann schob sie ihn zurück. »Was wollte dieser Mühlenkamp von dir? Welche Bilder hat er gemeint?«
»Elke, ich schwöre dir…«
Sie hob die Hand und schnitt ihm das Wort ab. »Keine Ausflüchte, Rainer. Ich will wissen, was los ist. Warum hat uns dieser Verrückte mit einer Knarre bedroht. Also, mach schon.«
Mit gellendem Sirenengeheul näherten sich zwei weitere Streifenwagen und ein Rettungsfahrzeug der Feuerwehr. Sie bahnten sich einen Weg durch die immer größer werdende Menge von Schaulustigen, die sich vor dem Haus eingefunden hatte.
Rainer sah sich um. »Können wir das nicht bei einer Tasse Kaffee…«
»Vergiss es! Also?« Sie stand mit in die Hüften gestemmten Fäusten vor ihm und wirkte ziemlich kompromisslos.
Ihr Freund atmete tief durch und griff zur zerknautschten Revalpackung. Dann steckte er eine Filterlose an, inhalierte tief und begann seine Beichte. »Eigentlich war alles ein Zufall…«
Elke verfolgte sein Geständnis mit offenem Mund und wachsendem Unmut. Als er geendet hatte, zischte sie wütend:
»Du hast auch Cengiz mit in die Sache hineingezogen?«
»Das muss man anders sehen. Ich habe ihn nicht gezogen. Er ist gestolpert. Im wahrsten Sinne des Wortes in diese Garage hineingestolpert.«
Elke musste wider Willen schmunzeln.
Rainer witterte seine Chance. »Ohne ihn und sein technisches Spielzeug hätte es keine Fotos gegeben.« Er streichelte über ihr Haar. »Ja? Bitte!«
Sie gab nach. So wie sie es immer getan hatte. Rainer war unbekümmert wie ein großer, unvernünftiger Junge. Sie konnte ihm nie lange böse sein – auch wenn sie sich deshalb oft genug über sich selbst ärgerte. Und das nicht nur, weil er der Vater ihres ungeborenen Kindes war.
»Ein für alle Mal: Versprichst du mir, deine Nase zukünftig nur in die Akten zu stecken?«
Rainer strahlte sie an und nickte heftig. »Versprochen.«
In diesem Moment glaubte sie ihm, wollte ihm glauben. Aber tief in ihrem Inneren wusste Elke, dass dieses Versprechen eine Halbwertszeit hatte, die sich kaum in Wochen messen ließ. Trotzdem liebte sie ihn. Vielleicht gerade deswegen. Sie sah ihm lange in die Augen und küsste ihn.
Martina Spremberg war unbemerkt an ihre Seite getreten und räusperte sich lautstark. »Wenn ihr einen Moment Zeit hättet…
Der Beamte hier möchte euch einige Fragen stellen.«
Die erste
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