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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verkauftes Sterben
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Unterschrift: Nina.«
    Brischinsky nahm einen dritten Brief zur Hand. »Ich bin so allein. Dann male ich die Bilder. Gefallen sie dir? Mama weint oft und ich habe dann Angst. Besonders nachts, wenn sie Mama einsperren. Das tun sie manchmal. Bitte hilf uns. Nina.
    Wirst du daraus schlau?«
    Sein Assistent schüttelte den Kopf und untersuchte weitere Briefstapel. »Es scheint, als ob sie chronologisch geordnet sind. Die du hast, lagen ganz oben. Was ist das für ein Datum auf dem Poststempel?«
    Brischinsky setzte seine Lesebrille wieder auf. »Der erste August.« Er blätterte weiter. »Der nächste stammt von Mitte Juli, dann wieder Anfang Juli. Und so weiter. Ein Brief etwa alle vierzehn Tage.«
    »Das könnte passen. Bei dem zweiten Stoß geht es im März los.« Baumann bückte sich und griff in den Schrank. »Und dann wieder im Oktober.«
    »Wann hat das angefangen?«
    Baumann suchte den ersten Brief und öffnete ihn. »Im Mai 1990. Lieber Peter, unserer Tochter geht es gut. Sie ist gesund und munter. Ich hoffe so sehr, dass alles ein gutes Ende nimmt.
    Bitte tue alles, was sie sagen. Bitte! In Liebe deine Eva. Das hört sich sehr nach Erpressung an, was meinst du?«
    »Und würde vor allem auch die ganzen Kinderzeichnungen erklären. Aber wer erpresst Schmidt? Hendrikson?«
     
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    »Du traust dich ja doch nicht!«
    »Wohl!« Schwarze Feder stemmte beide Arme in seine Hüften.
    »Der hat Schiss inne Buchse.« Das kam von seinem Stellvertreter und ständigem Rivalen Brauner Bär.
    »Halt die Klappe! Dat macht der mit links.«
    »Dat will ich abba erstma sehen.«
    Im Hauptquartier des Indianerstammes südliches Recklinghausen am Rhein-Herne-Kanal herrschte gewaltige Aufregung. Häuptling Schwarze Feders Autorität war durch eine unbedachte Äußerung schwer ins Wanken geraten. Einer seiner Krieger hatte die Frage aufgeworfen, warum sie sich von einem Teil ihrer Jagdgründe – er meinte den Garten der Mühlenkamps – so einfach hatten vertreiben lassen.
    Schließlich wäre es ihr angestammtes Recht, sich dort aufzuhalten. In dem sich anschließenden Palaver wurde diskutiert, ob es angesichts der feindlichen Übermacht nicht doch zu gefährlich sei, sich auf dieses Terrain zu begeben.
    »Indianer haben nie Angst«, hängte sich Schwarze Feder aus dem Fenster. Schließlich waren in dieser Situation Führungsqualitäten gefragt. »Ich jedenfalls nicht«, fügte er mit überheblichem Tonfall nach einem Blick auf seine unsicher wirkenden Stammesgenossen hinzu. »Wenn es sein müsste, würde ich sogar wieder in den Keller klettern.« Er wusste sofort, dass auch der letzte Satz ein Fehler gewesen war. Aber jetzt war es zu spät für einen Rückzieher. Wenn er Häuptling bleiben wollte, musste er seine großspurige Aussage in die Tat umsetzen, so schwer es ihm auch fallen würde.
     
    Vor einigen Monaten hatte Horst Mühlenkamp den Schlüssel zum Haus vergessen und Sven gebeten, durch eine kleine Fensteröffnung zu klettern, die in den Keller führte. Früher einmal war dieses Fenster mit einer Glasscheibe und einem Metallgeflecht gesichert gewesen, aber mangelnde Pflege hatte die Scharniere durchrosten lassen, sodass der Zugang nun immer offen stand. Sven erinnerte sich, wie die Mühlenkamp-Brüder nach seiner Kletteraktion darüber gestritten hatten, wer denn nun für die erforderliche Reparatur verantwortlich sei.
    Horst hatte kritisiert, dass durch den offenen Zugang allerlei Ungeziefer wie Mäuse und Ratten in das Haus gelangen könnten. Deshalb sei es ratsam, die Fensteröffnung so schnell wie möglich zu verschließen.
    »Quatsch«, hatte Paul geantwortet. »Allenfalls solche Ratten wie dein kleiner Freund hier.«
    Zwar war das Fenster vergittert, die Abstände zwischen den Stangen waren aber so groß, dass ein schmaler Junge mit etwas Anstrengung und Geschick hindurchpassen konnte. Und Sven war schmal gebaut. Er hatte seinem Freund damals den Gefallen getan, sich durch die Öffnung gezwängt und dann die Kellertür geöffnet. Und genau das stand ihm jetzt wieder bevor. Nur dass dieses. Mal kein Horst im Garten stand, um ihn gegebenenfalls gegen seinen Bruder Paul zu verteidigen.
    Die Späher meldeten, dass die Luft rein sei. Kein Hausbesitzer in Sicht. Und jetzt lag Schwarze Feder auf dem Bauch im Gras und robbte sich langsam, jeden Busch als Deckung ausnutzend, an das Haus heran. Als er sich dem Kellerfenster bis auf wenige Meter genähert hatte, schwand auch seine letzte Hoffnung, ohne Gesichtsverlust und mit

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