Zweyer, Jan - Rainer
nicht weiterverfolgt wurde.«
»Ja. Aber ich dachte, die Sache sei abgeschlossen?«
»Ist sie auch.«
»Was hast du dann bei dem Apotheker verloren?«
»Ich hoffte, von ihm etwas über FürLeben erfahren zu können«, antwortete Esch schuldbewusst.
Für einige Zeit sagte Elke kein Wort. Der Anwalt konnte sich ausmalen, was in ihrem Kopf vorging. Letzten Samstag beim Frühstück hatte Rainer Elke von Hendrikson erzählt und den Vermutungen, die er gegen ihn hegte. Lediglich angedeutet hatte er, dass er sich als Jörg Deidesheim bei der Agentur eingeschlichen hatte, um mehr über den Laden zu erfahren.
Elke war trotzdem entsetzt gewesen. Sie hatte von ihm in der dann folgenden, etwas heftigeren Diskussion ultimativ verlangt, dass er sich auf seine Tätigkeit als Anwalt beschränkte und sich nicht dilettantisch als Detektiv betätigte.
Damit es nicht zu einem wirklichen Streit kam, hatte Rainer wider besseres Wissen eingelenkt.
»Du hattest mir ein Versprechen gegeben.« Ihre Stimme klang nicht wütend, eher ein wenig resigniert.
»Ich habe zugesagt, dass ich nicht Polizei spielen werde.
Aber ich werde Paul Mühlenkamp als Nebenkläger vertreten, wenn es zu einer Anklage kommen sollte. Da muss ich mich schließlich sachkundig machen. Insofern war ich im Auftrag meines Mandanten unterwegs.« Er wusste, dass seine Argumentation nicht sehr überzeugend war. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte, Elke war im Recht.
»Das glaubst du doch wohl selbst nicht.« Jetzt war sie wütend, sehr wütend sogar.
»Elke, können wir nicht später darüber reden? Mein Eis schmilzt und ich…«
»Tatsächlich? Von mir aus kannst du dein Eis mit dem Strohhalm schlürfen«, fauchte sie. »Von Verlässlichkeit und Vertrauen hast du anscheinend noch nie etwas gehört.«
»Elke, ich…«
»Spar dir deine Ausflüchte.«
Es knackte in seinem Gerät.
»Elke?«, fragte er.
Zu spät. Sie hatte die Verbindung bereits unterbrochen.
Esch atmete tief durch. Er war sich darüber im Klaren, dass dieser Disput nicht vergleichbar war mit der in einer Partnerschaft üblichen Auseinandersetzung über nicht weggeräumte Kaffeetassen oder verlegte Fernsehzeitungen.
Und es würde mehr bedürfen als einen Strauß Blumen, um den Konflikt wieder auszuräumen. Der Anwalt war ratlos. Was sollte er jetzt tun? Sofort reumütig nach Herne zurückfahren, sich entschuldigen und um Verzeihung bitten? Oder sein ursprüngliches Vorhaben, weiter in Sachen FürLeben zu recherchieren, in die Tat umsetzen? Rainer kannte seine Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie nach dem Krach von eben nicht den ersten Schritt zur Versöhnung tun würde.
Und auch er konnte ziemlich dickköpfig sein. Das bedeutete, dass sie vorläufig nicht mit seinem Erscheinen oder einem Anruf rechnete. Und das hieß nichts anderes, als dass er zumindest heute noch freie Hand hatte.
An diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen, entschloss er sich, den Mandanten seines Freundes und Kollegen Uwe Losper aufzusuchen. Schließlich hatte ja dieser Lehmann Uwe gegenüber den Namen Hendrikson erwähnt. Da lag die Annahme nahe, dass Lehmann Hendrikson kannte.
Esch machte sich keine Illusionen. Sein Kollege würde die Anschrift seines Mandanten nie herausrücken. Zumindest nicht, solange er nüchtern war. Anwaltliche Verschwiegenheitspflicht.
Er übereignete die Flüssigkeit, die vormals Vanille-und Zitroneneis gewesen war, samt Keks und Becher einem Papierkorb und griff erneut zum Handy. Ein Anruf bei Cengiz und zwei Minuten später wusste er den Namen und die Anschrift der Apotheke, die vor etwas mehr als zwei Wochen in die Luft geflogen war.
Auf dem Weg zu seinem Fahrzeug fiel ihm der Zettel wieder ein, den er immer noch in der Hosentasche trug.
Kopfschüttelnd machte er kehrt und betrat erneut die Apotheke.
»Was wollen Sie noch?«, maulte Hoitner.
Rainer kramte die Liste hervor. »Wären Sie so freundlich, sich das hier anzusehen?«
Der Apotheker murmelte die Namen der Medikamente:
»Etoposid, Idarubicin, Mitoxantron, Interferon-alpha, Glivec, was soll das?«
»Kennen Sie die Medikamente?«
»Selbstverständlich. Das sind Mittel, die in der Chemotherapie bei Leukämie eingesetzt werden.«
»Die sind also verschreibungspflichtig?«
»Was denken Sie denn? Die werden fast nur stationär eingesetzt. Intravenös, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Rainer war irritiert. »Dann sind das keine Tabletten, die ein Kranker ohne Hilfe einnehmen kann?« So gut war
Weitere Kostenlose Bücher