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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Vorwand einer gesundheitlichen Krise), ihre Bücher und ihr sonstiges Hab und Gut zu verpacken und sich von einigen Freunden zu verabschieden. Vor diesen Abschiedsszenen fürchtete sie sich, weil sie ihre Freunde sehr vermissen würde, weil alle glauben würden, sie hätte den Verstand verloren, und versuchen würden, sie umzustimmen, aber auch, weil sie sich bei jedem ihrer Freunde unwillkürlich fragen würde, ob es sich nicht vielleicht um einen getarnten Troll handelte.
    Rya und ich begleiteten sie zu ihrem Wagen. Die Morgenluft war eiskalt. Wir wünschten ihr alles erdenklich Gute und bemühten uns, nicht zu zeigen, welch große Sorgen wir uns ihretwegen machten. Jeder von uns umarmte sie, und plötzlich umarmten wir uns zu dritt, denn wir waren durch die schrecklichen Ereignisse des Vorabends untrennbar miteinander verknüpft, verbunden durch die schreckliche Wahrheit, die so wenige Menschen kannten.
    Für jene, die um die Existenz der Trolle wissen, sind die Unholde nicht nur eine Bedrohung, sondern gewissermaßen auch ein Katalysator der Einheit. Es ist eine Ironie des Schicksals, daß die Dämonen erheblich dazu beitragen, in den Menschen Gefühle von Brüderlichkeit, gegenseitiger Verantwortung und gemeinsamen Zielen zu wecken. Und falls es uns jemals gelingen sollte, sie vom Antlitz der Erde zu tilgen, so nur deshalb, weil ihre Existenz uns einig — und damit stark — gemacht haben wird.
    »Am Sonntagmorgen rufe ich Joel Tuck unten in Gibtown an«, sagte ich. »Er wird dich erwarten; er und Laura werden dir eine Unterkunft besorgen und sich auch sonst um dich kümmern.«
    Wir hatten ihr Joel schon beschrieben, damit sie keinen allzu großen Schock bekam, wenn sie ihn zum erstenmal sah.
    »Joel liebt Bücher«, sagte Rya, »er ist ein richtiger Bücherwurm. Ihr werdet deshalb mehr gemeinsam haben, als du dir jetzt vorstellen kannst. Und Laura ist ein Goldschatz.«
    Unsere Stimmen klangen in der Kälte und Stille dieses Morgens tonlos und hart, und jedes Wort wurde von einer weißen Atemwolke begleitet.
    Cathys Furcht war genauso deutlich zu sehen wie diese Atemwolken. Sie fürchtete sich nicht nur vor den Trollen, sondern auch vor dem neuen Leben, das sie erwartete, und vor dem Verlust ihres alten gemütlichen Lebens.
    »Bis bald«, murmelte sie zittrig.
    »Ja, bis bald — in Florida.« Rya versuchte optimistisch zu wirken. »Im sonnigen Florida.«
    Schließlich stieg Cathy Osborn ins Auto und fuhr davon. Wir blickten ihr nach, bis sie von der Auffahrt in die Apple Lane einbog und gleich darauf hinter einer Kurve verschwand.
    So werden aus Literaturprofessoren Schausteller. So kann der Glauben an eine heile Welt urplötzlich zusammenbrechen.
     
    Er hieß Horton Bluett und bezeichnete sich selbst als alten Sonderling. Er war ein großer, knochiger Mann, und die Hagerkeit war ihm sogar in der schweren wattierten Holzfällerjacke anzusehen, in der wir ihn zum erstenmal zu Gesicht bekamen. Er war kräftig und vital, und nur die leicht gebeugten Schultern verrieten, daß er ein erhebliches Gewicht an Jahren mit sich herumtrug. Sein breites Gesicht war weniger von der Zeit verwittert als von Wind und Wetter gegerbt: feine Fältchen um die Augen herum, ansonsten tiefe Furchen. Er hatte eine große rote Nase, ein kräftiges Kinn und einen breiten Mund, der sich oft zu einem sehr sympathischen Lächeln verzog. Seine dunklen Augen waren wachsam, aber nicht unfreundlich und so klar wie die eines jungen Mannes. Er trug eine rote Jagdmütze mit heruntergeklappten Ohrenschützern, aber einige stahlgraue Haarsträhnen hingen ihm in die Stirn.
    Wir fuhren die Apple Lane entlang, als wir ihn sahen. Der Wind der vergangenen Nacht hatte mehrere Zentimeter Pulverschnee über seine Auffahrt geweht, und er schwang eine Schaufel, so als hätte er noch nie etwas von den Statistiken über die Ursachen von Herzinfarkten gehört. Seine Auffahrt war nicht so lang wie unsere, aber trotzdem mutete er sich mit dieser Arbeit einiges zu.
    Wir beabsichtigten, nicht nur aus Zeitungen und anderen offiziellen Quellen Informationen über die Kohlen-Gesellschaft zu beziehen, sondern auch Einheimische zu befragen, die uns vielleicht zuverlässigere und interessantere Auskünfte geben würden als die von Trollen kontrollierten Medien. Gerüchte können manchmal mehr Wahrheiten enthalten als die offizielle Version. Deshalb bogen wir in seine Auffahrt ein, hielten an, stiegen aus und stellten uns als die neuen Mieter von Orkenwolds Haus

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