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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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murmelte sie ängstlich zitternd.
    »Du warst unterwegs nach New York«, sagte ich.
    Sie lachte freudlos. »Ich hätte genausogut zum Mond unterwegs sein können.«
    Ein Transporter und ein funkelnder, neuer Cadillac fuhren vorbei. Die Fahrer schauten zu uns herüber.
    »Steigen wir lieber in den Wagen«, schlug Rya fröstelnd vor. »Dort ist es warm.«
    Im Auto würden wir außerdem weniger auffallen.
    Cathy setzte sich ans Steuer, drehte sich aber seitwärts, so daß ich sie vom Rücksitz aus im Profil sehen konnte. Rya nahm neben ihr Platz.
    »Ich kann doch nicht einfach so weiterleben, als wäre nichts geschehen«, sagte Cathy.
    »Das mußt du aber«, erwiderte Rya sanft, aber doch nachdrücklich. »Darin besteht das ganze Leben — weiterzumachen, so als wäre nichts geschehen. Und es wäre völlig sinnlos, wenn du versuchen wolltest, die Welt zu retten, indem du eine Aufklärungskampagne startest und überall verkündest, daß als Menschen getarnte Dämonen uns bedrohen. Alle würden glauben, du hättest den Verstand verloren. Alle — außer den Trollen.«
    »Und die würden blitzschnell reagieren und dich liquidieren«, fügte ich hinzu.
    Cathy nickte. »Ich weiß... ich weiß.«Nach kurzem Schweigen fuhr sie fort: »Aber... wie kann ich nach New York und an die Uni zurückkehren, wenn ich nicht weiß, welche meiner Bekannten eventuell Trolle sind? Wie soll ich jemals wieder jemandem vertrauen? Wie kann ich es jemals wagen zu heiraten? Vielleicht will der Mann — der Troll — mich nur heiraten, um mich als Spielzeug zu benutzen und zu quälen. Du weißt, was ich meine, Slim — so wie dein Onkel deine Tante heiratete und dann Unheil über deine ganze Familie brachte. Wie soll ich Freunde finden, wahre Freunde, bei denen ich mich nicht zu verstellen brauche? Versteht ihr? Ich bin in einer schlimmeren Situation als ihr, denn ich kann die Trolle ja nicht sehen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als jeden zu verdächtigen; das ist das einzig Sichere. Ihr könnt sie sehen, sie von Menschen unterscheiden, und deshalb seid ihr nicht allein; aber ich werde immer allein sein müssen, völlig allein und einsam, denn jemandem zu vertrauen, könnte tödliche Folgen haben. Allein... Was für ein Leben wird das sein?«
    Erst jetzt wurde mir klar, in welch schreckliche Situation sie geraten war. Und soweit ich es beurteilen konnte, gab es keinen Ausweg aus dieser Zwickmühle.
    Rya schaute mich fragend an.
    Ich zuckte mit den Schultern, nicht etwa teilnahmslos, sondern frustriert und niedergeschlagen.
    Cathy Osborn seufzte und erschauderte, hin und her gerissen zwischen Verzweiflung und Angst — zwei sehr gegensätzlichen Gefühlen, denn letzteres setzt eine gewisse Hoffnung voraus, während ersteres jede Hoffnung auslöscht.
    »Eigentlich kann ich genausogut versuchen, die Welt zu retten«, fuhr Cathy dort, »indem ich eine Aufklärungskampagne starte und durch ein Megaphon verkünde, was los ist, sogar wenn man mich ins Irrenhaus sperrt, denn dort lande ich sowieso eines Tages. Ich meine... wenn ich ständig auf der Hut sein muß, wenn ich dauernd überlegen muß, wer einer von ihnen sein könnte — das wird mich verrückt machen. Und es wird nicht einmal lange dauern, bis ich völlig durchdrehe, denn ich bin von Natur aus ein extrovertierter Typ; ich brauche Kontakt mit anderen Menschen. Ich werde bald regelrecht unter Verfolgungswahn leiden und schließlich in eine geschlossene Anstalt eingeliefert werden. Und glaubt ihr nicht auch, daß sich in einer solchen Institution, wo die Menschen eingesperrt und hilflos sind, besonders viele Trolle tummeln... ich meine, unter dem Personal?«
    »Doch«, sagte Rya, die zweifellos an ihre schrecklichen Erfahrungen im Waisenhaus dachte. »Du hast recht.«
    »Ich kann nicht zurück. Ich kann nicht so leben, wie ich leben müßte.«
    »Es gibt eine andere Möglichkeit«, sagte ich.
    Cathy warf mir einen ungläubigen Blick zu.
    »Es gibt einen sicheren Ort«, fuhr ich fort.
    »Natürlich!« rief Rya.
    »Sombra Brothers«, sagte ich.
    »Der Rummelplatz«, erklärte Rya.
    »Schaustellerin werden?« fragte Cathy bestürzt.
    Ihre Stimme verriet einen leichten Abscheu, an dem ich keinen Anstoß nahm — und den, wie ich wußte, auch Rya verstehen konnte. Die ›normale‹ Welt ist ängstlich bemüht, die Illusion aufrechtzuerhalten, die von ihr geschaffene Gesellschaft sei die einzig richtige; deshalb werden Fahrensleute als Landstreicher, soziale Außenseiter und Gesindel abgestempelt,

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