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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ich den Zaun auf einem breiten Bergkamm namens Old Broadtop dann vor mir sah, bezweifelte ich, daß man ihn überhaupt überwinden konnte, geschweige denn leicht. Das zweieinhalb Meter hohe Bollwerk bestand aus stabilem Maschendraht zwischen einbetonierten Eisenpfosten im Abstand von drei Metern. Oben war der Zaun außerdem mit einem Stacheldrahtverhau versehen; obwohl die Spitzen zum Teil vereist waren, würde man unweigerlich an hundert verschiedenen Stellen hängenbleiben und könnte sich erheblich verletzen, wenn man versuchen wollte, ihn zu übersteigen. Es hingen auch keine Äste über den Zaun — sie waren abgesägt worden. Sich unter dem Zaun durchzugraben, war um diese Jahreszeit ausgeschlossen, denn der Boden war steinhart gefroren. Ich vermutete aber, daß man auch im Sommer mit Graben nicht weit kommen würde, weil bestimmt auch eine unterirdische Barriere errichtet worden war.
    »Das ist doch kein normaler Zaun«, flüsterte Rya. »Das ist ja die reinste Befestigungsanlage.«
    »Ja.« Ich sprach genauso leise wie sie. »Und wenn er das ganze Riesengrundstück umgibt, muß er mehrere Kilometer lang sein. So etwas kostet eine ganz schöne Stange Geld.«
    »Dieses Ding dient bestimmt nicht nur dazu, Unbefugten den Zutritt zum Gelände zu verwehren.«
    »Nein. Sie treiben dort etwas anderes als Bergbau — etwas, das um jeden Preis geheimgehalten werden muß.«
    Wir hatten uns dem Zaun durch den Wald genähert, aber dahinter erstreckte sich eine Lichtung, und auf der weißen Schneedecke sahen wir entlang der Barriere viele Fußspuren.
    Ich senkte meine Stimme noch mehr. »Sieht so aus, als würden hier auch noch regelmäßige Patrouillen durchgeführt. Und zweifellos sind die Wachen bewaffnet. Wir müssen sehr vorsichtig sein und unsere Augen und Ohren offenhalten.«
    Wir huschten wieder wie Gespenster durch den Wald, in südlicher Richtung, in Sichtweite des Zauns, aber doch weit genug davon entfernt, um von eventuellen Patrouillen nicht erspäht zu werden. Unser Ziel war der südliche Teil des Old Broadtop, von wo aus es möglich sein mußte, auf die Verwaltungsgebäude hinabzublicken. Wir hatten uns den Weg anhand einer Landkarte, die wir in einem Geschäft für Sportartikel erstanden hatten, genau eingeprägt.
    Als wir vorhin auf der Landstraße am Eingang zum Werksgelände vorbeigefahren waren, hatten wir keine Gebäude gesehen. Sie waren hinter Hügeln und Bäumen verborgen. Von der Straße aus war nur ein Tor und ein kleines Wächterhaus zu sehen, wo alle Fahrzeuge anhalten und sich einer Kontrolle unterziehen mußten, bevor sie weiterfahren durften. Diese strengen Sicherheitsvorkehrungen kamen mir für ein Bergwerk geradezu lächerlich vor, und ich fragte mich, welche Gründe sie für diese Abschottung anführen mochten.
    Wir hatten zwei Autos am Tor gesehen, und beide Fahrer waren Trolle gewesen. Auch der Wächter war ein Troll.
    Der Nadelwald wurde nach Süden zu immer dichter; die Äste waren so ineinander verwoben und hingen so tief herab, daß uns mehrmals nichts anderes übrigblieb, als auf allen vieren unter ihnen durchzukriechen, was große Vorsicht erforderte, weil der Boden mit abgebrochenen Zweigen gespickt war. Und überall, wo zwischen den Bäumen etwas Licht einfallen konnte, wuchs Unterholz, das mindestens zur Hälfte aus Brombeersträuchern bestand, deren rasiermesserscharfe Dornen geradezu versessen darauf waren, uns die Kleider zu zerreißen.
    Schließlich erreichten wir jedoch den südlichsten Punkt des Bergkamms, der hier plötzlich ganz schmal wurde. Wir schlichen uns wieder an den Zaun heran und konnten jetzt in ein kleines Tal hinabblicken, das etwa 350 Meter breit und zwei Kilometer lang war. Dort unten wuchsen keine Nadelbäume. Kahle Laubbäume ragten himmelwärts — ein Durcheinander riesiger versteinerter Spinnen, die auf dem Rücken zu liegen und ihre schwarzen Beine in die Luft zu strecken schienen. Vom Haupteingang führte eine zweispurige Straße zwischen den Bäumen hindurch auf eine große Lichtung, wo die Verwaltungsgebäude, Garagen und Reparaturwerkstätten der Kohlen-Gesellschaft standen. Auf der anderen Seite der Lichtung verschwand die Straße wieder zwischen Bäumen und kam erst am nördlichen Talende beim Mineneingang zum Vorschein, den wir jedoch nicht sehen konnten.
    Die ein- und zweistöckigen Gebäude stammten aus dem 19. Jahrhundert und waren aus Stein, auf dem sich im Laufe der Jahre soviel Kohlenstaub abgesetzt hatte, daß man auf den ersten Blick

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